Wöllner

[344] Wöllner, Joh. Christoph von W., geb. 1732 in Dövritz bei Schandau, Sohn eines Predigers, wurde 1755 Prediger in Großbehnitz (unweit Berlin), verließ aber seine geistliche Stelle u. wurde Gesellschafter des Herrn von Itzenplitz u. dann Mitpächter in Behnitz. 1776 trat er auf dem Wiesbadener Convent in den neuen Tempelherrenorden. Wegen seiner ökonomischen Schriften wurde er 1782 Lehrer des Kronprinzen in der Staatswirthschaft, 1786 geadelt u. Oberfinanzrath, sowie Intendant des königlichen Bauwesens u. Aufseher über die Dispensationskasse, unter Friedrich Wilhelm II. 3. Juli 1788 Justizminister u. mit der Leitung der geistlichen Angelegenheiten betraut. Bereits am 9. Juli erließ er auf Befehl des Königs das vielberufene Wöllnersche Religionsedict. Nach demselben sollten die Unterthanen in dem Glauben ihrer Väter gegen die überhandgenommene Aufklärerei geschützt werden; die verschiedenen Confessionen sollten tolerant gegen einander sein; jedem sollten seine von dem kirchlichen Lehrbegriff abweichenden Ansichten gelassen werden, aber er sollte sie für sich behalten u. nicht ausbreiten; Geistliche u. Schullehrer, welche solche Ansichten hätten, sollten ihre Stellen niederlegen, od., wollten sie das nicht, wenigstens nicht ihre Überzeugung,[344] sondern die Kirchenlehre vortragen. Zuwiderhandeln sollte mit Cassation u. noch härteren Strafen bestraft werden. Das Edict rief viele ungünstige Beurtheilungen hervor, auch das Oberconsistorium machte Gegenvorstellungen; allein vergebens; doch wurde es in den ersten Jahren nicht mit Härte ausgeführt. Dies geschah erst seit 1791, als dazu ein Censuredict für theologische Schriften, die Errichtung einer immediaten Examinations- u. Visitationscommission, welche blos unter dem König u. W. stand, das von dieser Commission ausgefertigte Schema zu dem Candidatenexamen, der von derselben verfaßte Katechismus (welcher ungeachtet der Mißbilligung der theologischen Facultät in Halle 1789 doch eingeführt wurde), eine Anweisung für die lutherischen Prediger zur Amtsführung, die Reverse der Geistlichen, Gymnasial- u. Universitätslehrer sich in allen Stücken nach dem Edicte zu richten etc. kamen. Vgl. Henke, Beurtheilung aller Schriften, welche durch das preußische Religionsedict veranlaßt sind, Hamb. 1793. Beim Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. 1707 blieb W. zwar im Amte u. machte noch 1798 den Versuch das bereits vergessene Edict seines Namens wieder in Erinnerung zu bringen, allein der neue König mißbilligte die Tendenzen W-s, u. dieser nahm 1798 seine Entlassung, lebte in Großriez bei Brandenburg u. st. daselbst 1800. Einige seiner Predigten erschienen Hamb. 1789. Vgl. A. Teller, Denkschrift auf den Staatsminister von W., 1802; Das preußische Religionsedict, Lpz. 1842.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 344-345.
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