Desinfektion

[272] Desinfektion, Entseuchung (desinfection; désinféction; disinfezione), das Verfahren zur Zerstörung von der Gesundheit schädlichen Stoffen, besonders der als Ansteckungsstoffe erkannten mikroskopischen Organismen (Bakterien). Im weiteren Sinn gehören zur D. auch jene Maßregeln, die vorbeugend gegen die Entstehung oder Ausbreitung der Krankheitsstoffe getroffen werden.

I. Allgemeines. Die Ansteckungsstoffe, gegen die sich die D. richtet, können vor allem, soweit der Eisenbahnverkehr in Betracht kommt, den zur Tierbeförderung verwendeten Wagen, den hierbei zum Füttern, Tränken u.s.w. benutzten Gerätschaften, insbesondere infolge Verunreinigung durch die tierischen Auswurfstoffe, anhaften. Bei der Beförderung von Personen können Ansteckungsstoffe in den Personenwagen zurückbleiben, oder durch die von den Reisenden mitgeführten Gebrauchsgegenstände u. dgl. übertragen werden.

Die für den Eisenbahnverkehr bestehenden Vorschriften über D. sind meist vorbeugender Natur; das gilt insbesondere von den Bestimmungen, die die ständige D. von Viehwagen vorschreiben, sowie von den Vorschriften über die während der Dauer von Epidemien vorzunehmende D. von Aborten, Gepäcksgegenständen, dann von gewissen, Ansteckungsstoffe leicht verschleppenden Sendungen (Hadern, gebrauchte Kleider u.s.w.), die aus verseuchten Ländern eingeführt werden. Außerdem bestehen gewöhnlich verschärfte Vorschriften über die Vornahme der D. bei einer wirklichen Infektion oder einem Infektionsverdachte, insbesondere hinsichtlich der D. der Wagen, in denen infizierte oder seuchenverdächtige Tiere befördert wurden, des Düngers und Streumateriales. Ebenso bestehen strenge Vorschriften in bezug auf die D. von Personenwagen (Abteile, Gänge, Klosette), in denen mit Infektionskrankheiten behaftete Personen befördert worden sind, der Kleider und sonstigen Effekten der letzteren, der Gegenstände, die mit den Kranken in unmittelbare Berührung kommen u.s.w.

A. Hintanhaltung der Verschleppung von ansteckenden Tierkrankheiten (Rinderpest, Maul- und Klauenseuche, Milzbrand, Rauschbrand, Wild- und Rinderseuche, Lungenseuche der Rinder, Rotz, Pockenseuche der Schafe, Beschälseuche der Pferde und Bläschenausschlag der Pferde und Rinder, Räude der Pferde, Esel, Maultiere, Maulesel, Schafe und Ziegenwutkrankheit, Schweinepest [Schweineseuche], Rotlauf der Schweine, Geflügelcholera und Hühnerpest, äußerlich erkennbare Tuberkulose der Rinder). In Europa ist zurzeit beinahe überall eine ständige D. der zur Viehbeförderung verwendeten Eisenbahnwagen u.s.w. eingeführt, u. zw. in erster Linie mit Rücksicht auf die großen wirtschaftlichen Verluste, die Rinderpesteinschleppungen wiederholt zur Folge hatten.

Die in der Zeit vom 16. März bis 6. April 1872 unter Teilnahme von Abgeordneten aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich-Ungarn, Rumänien, Rußland, der Schweiz, Serbien und der Türkei in Wien abgehaltene, internationale Konferenz zur Erzielung eines gleichförmigen Vorgehens gegen die Rinderpest hat in dem von ihr entworfenen internationalen Regulativ zur Tilgung der Rinderpest nachstehenden Grundsatz aufgenommen:

»Die Staaten vereinigen sich dahin, daß alle Gegenstände, die für die Beförderung von Wiederkäuern, Pferden und Schweinen gedient haben, unter allen Verhältnissen vor ihrer Wiederbenutzung desinfiziert werden; in gleicher Weise sind alle Gegenstände zu desinfizieren, die zur Beförderung solcher Produkte[272] gedient haben, die von rinderpestverdächtigen Tieren stammen«.

Wiewohl nun dieses internationale Regulativ bis jetzt nicht zur Durchführung gelangte, so ist doch seither von der Mehrzahl der Staaten die D. der zur Beförderung von Tieren und tierischen Rohprodukten verwendeten Wagen und Geräte in einer Weise geregelt worden, die dem obigen Grundsatz vollkommen entspricht.

In den meisten Staaten, in denen die D. durch Gesetze und Verordnungen eingehend geregelt ist, wird die Verpflichtung der Eisenbahnen zur D. gewöhnlich auf alle Wagen erstreckt, in denen Vieh befördert wurde, und ist die D. nach jedesmaliger Benutzung der Wagen zu solchen Beförderungen vorzunehmen.

Außer den Wagen werden auch die bei der Beförderung der Tiere zum Füttern, Tränken, Befestigen oder zu sonstigen Zwecken benutzten Gerätschaften, vielfach auch die Treppen und Rampen, dann die bei der D. verwendeten Geräte und Werkzeuge desinfiziert.

Bei wirklicher Infektion tritt eine strengere D. (verschärfte D.) ein und müssen gewöhnlich die gepolsterten Bestandteile der Pferdewagen sowie die Streumaterialien und der Dünger verbrannt werden.

Ebenso müssen die dabei beschäftigten Personen einer D. unterzogen werden.

Die D. der Wagen obliegt jener Verwaltung, in deren Bereich die Entladung stattfindet.

In manchen Großstädten, z.B. in Berlin, besorgt die D. der Wagen die Verwaltung des Zentralviehmarktes.

Es ist zweckmäßig und wirtschaftlich, die D. der Wagen unter Aufsicht von Bahnangestellten im Akkord durchführen zu lassen.

Bei Wagen, die aus dem Auslande leer zurückkommen, obliegt die D. der Grenzstation und pflegt von der D. nur dann Umgang genommen zu werden, wenn nachgewiesen ist, daß die betreffenden ausländischen Bahnen die Wagen einer entsprechenden D. unterziehen.

Die D. wird entweder in jeder Ausladestation oder nur in Stationen vorgenommen, die als Desinfektionsstationen (s.d.) bestimmt und mit den nötigen Einrichtungen versehen sind.

Es empfiehlt sich, die D. zu zentralisieren, da hierdurch eine strengere Kontrolle möglich ist und auch geschultes Personal zur Verfügung steht, wodurch eine rasche und zweckentsprechende D. gewährleistet ist. Auch ist hierdurch eine bessere Verwertung der Düngermassen ermöglicht.

Die nach den Desinfektionsstationen zu überführenden Wagen werden auf dem Wege dahin plombiert oder auf andere Art sicher verschlossen.

Im Winter muß der am Wagenboden verstreute Dünger sofort nach der Entladung des Viehs zu Haufen zusammengekehrt werden, um ein Anfrieren möglichst hintanzuhalten. Wagen, die zu desinfizieren sind, sind sofort nach der Entladung mit einem gelben Zettel (in der Schweiz weiße Zettel) zu versehen, der die Aufschrift »Zu desinfizieren«, die Endstation und den Zeitpunkt der Entladung (Datum und Stunde), zu enthalten hat.

Dieser gelbe Zettel wird nach erfolgter D. durch einen weißen ersetzt mit der Aufschrift »Desinfiziert«, Station, Datum und Stunde.

Im Falle der Durchführung der strengen (verschärften) D. hat die Entladestation in Deutschland, Österreich und anderen Ländern einen gelben Zettel mit roten Querstreifen und der Aufschrift »Verschärft zu desinfizieren«, Station, Datum und Stunde, zu benutzen.

Der D. der Wagen geht gewöhnlich eine gründliche Reinigung (Beseitigung der Streumaterialien, des Düngers), Ausspülung des Wagens mit Wasser – im Winter unter Verwendung von heißem Wasser – voran. Die aus dem Wagen entfernten brauchbaren Abfälle, Streu und Dünger werden auf einen gesonderten Platz überführt, dortselbst mit Kalkmilch begossen und wenn möglich an Landwirte abgegeben.

Der in Schweinewagen gewöhnlich als Streu benutzte Sand ist gesondert auszuladen und als für Landwirte unbrauchbar, nach der D. zur Ausfüllung von Materialgräben zu verwenden.

Als Streu wird gewöhnlich Stroh, Häcksel, Torf, Sägespäne, Erde oder Sand verwendet.

Die eigentliche D. der Wagen wird mittels Dampf, heißem Wasser oder Chemikalien vorgenommen. Die D. der Wagen muß innerhalb einer bestimmten Frist vom Zeitpunkt der Entladung, bzw. des Eintreffens des Wagens in den Desinfektionsanstalten (gewöhnlich binnen 48 Stunden) vollendet sein und darf ein desinfizierter Wagen in der Regel erst nach Austrocknung und Lüftung wieder in Verwendung genommen werden.

Für die Vornahme der D. heben die Bahnen in der Regel von den Parteien mit behördlicher Genehmigung bestimmte Gebühren ein (s. Desinfektionsgebühren).[273]

Wenn Eisenbahnbedienstete die ihnen nach den gesetzlichen Bestimmungen vermöge ihrer dienstlichen Stellung oder eines besonderen Auftrages obliegende Pflicht der Anordnung, Ausführung oder Überwachung der D. vernachlässigen, werden sie mit Geld-, bzw. Freiheitsstrafen belegt. (§ 5 des deutschen Reichsgesetzes vom 25. Februar 1876, § 12 des österreichischen Gesetzes vom 12. Juli 1879, Art. 22 des belgischen Reglements vom 23. Mai 1879, schweizerische Verordnung vom 22. März 1907 u.s.w.)

B. Hintanhaltung der Verbreitung von ansteckenden Krankheiten, mit denen Personen behaftet sind. In dieser Hinsicht besteht für die Eisenbahnen insofern eine dauernde Verpflichtung zur D., als die Eisenbahnen (zufolge des § 11 des Eisenbahnbetriebsreglements, und des § 11 der deutschen Eisenbahnverkehrsordnung), die Beförderung von erkrankten Personen (mit Ausnahme von Pestkranken) bei Einhaltung bestimmter Vorschriften nicht ablehnen können (vgl. Ausschluß von der Fahrt).

Außerdem tritt eine Verpflichtung zur D. über jeweilige besondere Anordnung der betreffenden Regierung ein, u. zw. anläßlich der Gefahr der Einschleppung von in angrenzenden Ländern herrschenden epidemischen Krankheiten, oder anläßlich des Auftretens solcher Krankheiten im eigenen Land. Die D. erstreckt sich in derlei Fällen im allgemeinen auf die Aborte in den Stationen und Eisenbahnwagen auf Auswurfstoffe, die auf dem Bahnkörper, insbesondere in den Stationen vorgefunden werden, auf verunreinigte Kleider, Wäsche u.s.w., namentlich in den Grenzstationen, wohl auch auf die Personenwagen (Abteile, Gänge), in denen Reisende aus infizierten Gegenden eingelangt sind; dagegen wird in neuerer Zeit von der früher üblich gewesenen D. der aus infizierten ausländischen Orten kommenden Reisenden fast durchweg abgesehen. Die D. der Aborte u.s.w. erfolgt zumeist mit Karbolsäurelösung, Torfmull oder Ätzkalk; Exkremente und sonstige Auswurfstoffe werden mit Chlorkalk behandelt. Teppiche, Läufer, Matten, Polster werden mit strömendem Wasserdampf oder Formaldehyd, bzw. Autandämpfen (ein Formaldehydpräparat) desinfiziert. Wände, Decken, Holzteile, aus Leder hergestellte Gegenstände werden durch Abwaschen mit 3%iger Kaliseifenlösung, mit Ammoniaklösung oder mit Weingeist entseucht und gereinigt.

Wäsche wird unter Luftabschluß gekocht und mit Dampf behandelt; für Kleider werden Wasserdämpfe oder Formaldehyddämpfe verwendet.

Stark verunreinigte Gegenstände, als Polster, Wäsche u.s.w. werden verbrannt.

(In Norwegen werden die Wagen bis 20° C geheizt, alle Öffnungen geschlossen und sodann Autandämpfe durch 7 Stunden in dem Wagen belassen. Hierauf wird der Wagen mit 3%igem Seifenwasser, versetzt mit 4%iger Formalinlösung gewaschen und gelüftet.)

In neuerer Zeit hat sich die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß der Staub der Träger zahlreicher Krankheitskeime sei, was die Eisenbahnverwaltungen veranlaßte, der Reinigung der Personenwagen erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Dies führte zur Einführung von Entstaubungsanlagen verschiedener Systeme, wobei das Verfahren mit Preßluft als das zweckmäßigste erkannt wurde. Durch dieses Verfahren findet ein Auflockern, Aufsaugen und Sammeln des Staubes in dichten Beuteln statt. Wenn auch durch diese Entstaubungsanlagen sehr bedeutende Staubmengen (bis 1∙5 kg aus einem Polsterwagen) entfernt werden können, so ist trotz dieser Entstaubung mit den vollendetsten Werkzeugen (Preßluftsauger System Borsig) keine Gewähr für die vollständige Entfernung von Krankheitserregern (pathogenen Keimen) gegeben. Zur vollständigen Entseuchung eines Wagens und Vernichtung aller Krankheitserreger ist daher ein weiteres Verfahren nötig.

Diesbezüglich sind in neuester Zeit eigene Desinfektionsanlagen mit so großen liegenden zylindrischen Kesseln erbaut worden, daß die Personenwagen in diese ganz eingeschoben werden können. Der Kesselraum mit dem Wagen kann unter vollständiger Abdichtung gegen die Außenluft einem Unterdrucke von 700 bis 740 mm Quecksilber ausgesetzt und zugleich auf 45 bis 55° C erwärmt werden. Unter diesen Verhältnissen beginnt Wasser in dem Raum zu sieden und wird daher auch den Lebewesen in dem zu entseuchenden Wagen ganz entzogen. Zugleich wird Formalin zu schneller Verdampfung gebracht, wodurch alle Lebewesen, Keime und auch Eier sicher abgetötet werden.

Die Entseuchung eines großen Schlafwagens, der auf 55° C erwärmt und mit 5 kg Formalin durch 6 Stunden behandelt wurde, kostet einschließlich Tilgung der Kosten des Apparates etwa 35 M.

Ungeziefer und Milzbrandsporen, die in der Mitte einer 10 cm starken Roßhaarmatratze untergebracht wurden, waren getötet und vollständig ausgetrocknet.

Es muß daher dieses Verfahren als zweckentsprechend bezeichnet werden. (Organ 1912, Heft 3.)[274]

Auch in Österreich sind Entstaubungsanlagen im Betriebe, und ist außerdem die Behandlung von Teppichen, Vorhängen, Oberzügen bei Polsterungen, Polstern, Reiseutensilien, zurückgelassener Wäsche, Kleidern u.s.w. in gewissen Fällen mit Wasserdampf oder Formaldehyddämpfen vorgeschrieben.


Das Handelsministerium hat mit Erlaß Z. 4271 vom 7. März 1889, einen besonderen Desinfektionskasten (s. Desinfektionsapparate) als Norm vorgeschrieben, in den Dampf mit einer Spannung von 2–3 Atm. (120–130° C) mindestens 30 Minuten lang eingeleitet wird, gemessen von dem Zeitpunkte, wo der ausströmende Dampf eine Temperatur von 100° C hat.

Das nicht herausnehmbare Wageninnere wird mittels eines eigenen Sprayapparates (s. S. 283) mit heißen Formaldehyddämpfen behandelt.

Für die Desinfektionsarbeiter sind Zwilchkleider und Überkleider aus Kautschuk vorgeschrieben. Bei der Arbeit haben die Desinfektionsarbeiter jedesmal, bevor die Gegenstände aus dem Desinfektionskasten genommen werden, ihre Hände mit 5%iger Karbolsäurelösung oder Karbolseifenlösung oder 3%iger Lysollösung zu waschen, ebenso die Kleider nach dem Gebrauch.


II. Desinfektionsmittel. Die Zahl der empfohlenen und angewendeten Desinfektionsmittel ist eine sehr große, die Wirksamkeit eine äußerst verschiedene. Im allgemeinen ist zu beachten, daß auch das beste Mittel unwirksam ist, wenn es nicht in ausreichender Menge und während der zur Wirkung nötigen Zeit angewendet wird, und daß alle chemischen Mittel nur für einen gewissen Zeitraum und nur da wirken, wo sie den zu desinfizierenden Gegenstand gehörig berühren oder durchdringen. Letzteres gilt insbesondere für die verschärfte D. der Viehwagen, da die pathogenen Bakterien und die Sporen sich in organischen Substanzen (den tierischen Auswurfstoffen) eingebettet vorfinden. Auch ist zu berücksichtigen, daß die Bakterien in ihrem Verhalten gegenüber chemischen Stoffen sehr voneinander abweichen und gegen ein- und dasselbe Desinfektionsmittel ungleichen Widerstand an den Tag legen, daher je nach den einzelnen Infektionskrankheiten verschiedene Mittel angewendet werden müssen. Es handelt sich ferner darum, die Wahl des Desinfektionsmittels und seiner Anwendungsweise so zu treffen, daß die D. mit tunlichster Vermeidung einer Beschädigung der zu desinfizierenden Gegenstände vorgenommen werden kann.

Kälte ist kein Desinfektionsmittel, sie hemmt nur die Entwicklung der Bakterien.


Die hauptsächlich zur D. angewendeten Mittel sind folgende:

Heißes Wasser. Es ist erwiesen, daß viele Ansteckungskeime durch nur kurze Zeit anhaltende Siedehitze nicht getötet werden und ist daher eine D. nur dann als vollständig zu betrachten, wenn die zu behandelnden Gegenstände mehrere Stunden in Wasser gekocht werden. Zusätze von Soda oder Pottasche steigern die Wirkung schon dadurch, daß sie die Siedetemperatur erhöhen. Das Abwaschen mit heißem Wasser, das dabei nicht mehr die Siedehitze haben kann, hat nur die Wirkung, daß es Schmutz und damit Ansteckungskeime entfernt; durch Soda und Pottasche wird die auflösende Wirkung dabei erheblich erhöht. Werden solche Abwaschungen recht gründlich ausgeführt und wird reichlich Wasser nachgespült, so ist in vielen Fällen die Wirkung ausreichend. Unzureichend erscheint aber ein einfaches Ausspritzen oder Bespritzen mit einem Strahl heißen Wassers, auch wenn es aus einem Dampfkessel unter hohem Druck ausströmt und an der Ausflußöffnung eine sehr hohe Temperatur hat. Durch die schnelle Dampfentwicklung kühlt sich der Wasserstrahl so sehr ab, daß er schon in kurzer Entfernung eine Temperatur weit unter dem Siedepunkt hat.

Wasserdampf. Wenn die zu desinfizierenden Gegenstände längere Zeit hochgespannten Wasserdämpfen ausgesetzt werden, was nur in einem fest verschlossenen Gefäß geschehen kann, so ist jedenfalls die Wirkung eine vollkommene, und haben zahlreiche Versuche ergeben, daß durch eine solche D. mit Wasserdampf von mindestens 100° Temperatur alle Krankheitskeime getötet werden; dagegen muß ein Strahl von gesättigtem Dampf als noch unwirksamer als ein solcher von heißem Wasser bezeichnet werden, weil der Dampf schon auf sehr kurze Entfernungen von der Ausströmungsöffnung sich zu Wasserbläschen verdichtet, die nicht mehr die erforderliche Wärme haben.

Bei der D. von Viehwagen, insbesonders von Güterwagen, kann der Dampf nur als vorzügliches Reinigungsmittel angesehen werden, da in verhältnismäßig kurzer Zeit der vom größten Schmutze durch Besen gereinigte Wagen auch von sämtlichen makroskopisch sichtbaren Schmutzteilen vollständig befreit wird. Praktische Versuche haben gezeigt, daß ein auf 4–5 Atm. gespannter Dampf (151∙3–158∙3° C) bei seinem Austritt aus einer Düse infolge Abnahme des Druckes, Kondensation und direkter Abkühlung sofort seine hohe Temperatur verliert und im Wagen bei 17° C Außentemperatur bloß 22° G Wärme vorhanden ist.

Heiße Luft. Die D. mittels heißer Luft ist nur wirksam, wenn die Temperatur sehr hoch steigt und der zu desinfizierende Gegenstand genügend lange der Hitze ausgesetzt wird. Von vielen Ärzten wird eine Wärme von 204° C für notwendig gehalten, um alle Keime zu töten. Diese Temperatur ist nur in besonders dazu gebauten Öfen zu erreichen, wie solche auch vielfach zur D. von Kleidern, Wäsche, Betten u. dgl. benutzt werden. Da diese Gegenstände sehr schlechte Wärmeleiter sind, so muß die Hitze so lange einwirken, bis alle Teile gleichmäßig erwärmt sind und durch einige Zeit der hohen Temperatur ausgesetzt waren.


Chemikalien:


Karbolsäurelösungen. Die Karbolsäure, auch Phenol und Steinkohlenkreosot genannt, wird durch Destillation aus dem Steinkohlenteer gewonnen und ist giftig. Zur D. wird das schwere Steinkohlenteeröl mit einem Gehalt von 10 bis 25% Karbolsäure als sog. rohe Karbolsäure verwendet. Diese ist eine braune Flüssigkeit von durchdringend brenzlichem, lange anhaltendem Geruch. Zur besseren Verteilung verwendet man sie sehr verdünnt (in 5%igen Lösungen) oder in Verbindung mit pulverförmigen[275] Stoffen, wie Kalk, zermahlenem Torf, Kohlenpulver, Gips, Erde u. dgl. Die D. mit Karbolsäure ist in den meisten Fällen sehr wirksam, hat aber den Nachteil, daß der Karbolgeruch den Wagen oft mehrere Wochen anhaftet, so daß bei Verladung von empfindlichen Waren, wie Getreide, Mehl, Zucker, Eier, Fleisch, Salz, Butter, Gerste, Malz u.s.w. in solche selbst scheinbar geruchlose Wagen ein Verderb der Waren herbeigeführt werden kann.

Gleiche Wirkung wie die Karbolsäure hat auch das Kreosot, das durch Destillation aus dem Holzkohlenteer hergestellt wird; da es aber erheblich teurer ist als die Karbolsäure, so wird es selten zur D. verwendet.

Auch das in Paraffinfabriken als Nebenprodukt gewonnene Kreosotnatron, das meist billig zu haben ist, wird als D. verwendet.

Gegen Milzbrandsporen ist Karbolsäure unwirksam.

Kresol (Kresylsäure), aus den nächsten Homologen des Phenols (Methylphenole und Oxytoluole) bestehend, wird als Lösung in Harzseifen als Kresolin und als Lösung in Ölseifen als Lysol zur D. verwendet. Insbesondere hat das Lysol, eine gelbe, klare, ölartige Flüssigkeit, die mit Wasser verdünnt (2 Teile Lysol in 100 Teilen Wasser) vollkommen klar bleibt, eine große Desinfektionskraft.

Weitere Kresolpräparate sind:

Kresolwasser (1 Teil Kresolseifenlösung in 9 Teilen Wasser);

Kresolseifenlösungen, eine gelbbraune Mischung von 1 Teil Kaliseife und 1 Teil Rohkresol.

Kresolschwefelsäuremischungen, werden hauptsächlich in Deutschland zur D. verwendet. Sie vernichten Milzbrandsporen erst nach fünf Tagen, sind somit bei verseuchten Wagen nicht genügend wirksam.

Saprol wird als Nebenprodukt bei der Aufarbeitung der Teeröle in Gasanstalten gewonnen und gelangt in Mischung mit Schmierseifenlösungen zur Verwendung.

Sublimatlösung (Ätzsublimat, Quecksilberchlorid), ein starkes Gift, wird durch Auflösen von 1 g Quecksilberchlorid in 1 l destilliertem Wasser bereitet. (Quell- und Brunnenwasser ist hierzu infolge des höheren Gehaltes an kohlensaurem Kalk unverwendbar.) Um raschere Lösungen herzustellen, empfiehlt es sich, das Quecksilberchlorid in denaturiertem Alkohol zu lösen und die Lösung in das Wasser oder die Kochsalzlösung u.s.w. zu schütten.

Der allgemeineren Verwendung des Sublimats steht trotz der sehr energischen Wirkung dieses Mittels auf Bakterienkulturen, Kokken und Sporen der Umstand entgegen, daß es durch sehr viele mineralische und organische Verbindungen zersetzt und dadurch unwirksam gemacht wird, daß aber auch die aus dem Sublimat erzeugten Umsetzungsprodukte auf den menschlichen Organismus gesundheitsschädlich einwirken.

Räucherungen mit Chlor oder Bromdämpfen sind infolge ihrer zerstörenden Wirkung auf Infektionsstoffe bei genügender Feuchtigkeit und Konzentration als Desinfektionsmittel verwendbar.

Salpetrige und schweflige Säure sind wenig und unsicher wirkende Desinfektionsmittel.

Salzsäure (Chlorwasserstoffsäure) ist eine stechend riechende Flüssigkeit von sehr ätzenden Eigenschaften. Warme Lösungen (12%ige Verdünnung) entwickeln sehr viel Chlorwasserstoffgas, dem die Desinfektionswirkung zuzuschreiben ist.

Verdünnte Lösungen der Ätz- und kohlensauren Alkalien und insbesondere der Schmierseife (Kaliseife) heben das Wachstum von Sporen auf und besitzen demnach gleichfalls desinfektorische Wirkungen. Diese Desinfektionsmittel verdienen besondere Beachtung, da sie zugleich Reinigungsmittel sind.

Karbolseifelösung. Eine Lösung von Kaliseife (3 Teile Seife in 1CO Teilen heißem Wasser) wird mit 1 Teil 100%iger Karbolsäure vermischt. Diese Lösung ist lange Zeit haltbar und wirkt schneller desinfizierend als einfache Kaliseifenlösung.

Eisenvitriol (schwefelsaures Eisenoxydul) dient zur D. von Aborten, weil es die übelriechenden Gase, Schwefelwasserstoff und Ammoniak, in feste Verbindungen überführt. Es vermag jedoch nicht das Wachstum der Pilze und Bakterien zu verhüten, so daß es als Desinfektionsmittel, wie die Versuche des deutschen Gesundheitsamtes klargelegt haben, keinen hohen Wert hat. Wirksamer ist es in Verbindung mit Karbolsäure. Man rechnet bei Aborten für eine Person und einen Tag 25 g, in Wasser gelöst. Setzt man etwa 2 kg Karbolsäure zu, so kann man das Eisenvitriol um ein Drittel vermindern.

Kalk in möglichst frisch gebranntem Zustande, also Ätzkalk in gepulvertem Zustande, aber auch als Kalkmilch (Mischung von 1 l gebranntem Kalk mit 4 l Wasser) wirkt nach angestellten Versuchen auf Typhus- und Cholerabazillen im Laufe weniger Stunden vernichtend. Dieses Desinfektionsmittel ist in allen Fällen in Betracht zu ziehen, in denen vermöge der erschwerten Verkehrs- und Lokalverhältnisse die rasche Herbeischaffung und Verwendung anderer Desinfektionsmittel auf Schwierigkeiten stößt.

Neuestens wurde durch Versuche im deutschen Reichsgesundheitsamt festgestellt, daß der Kalk eine ganze Reihe von Organismen, u. zw. zum Teil ziemlich widerstandsfähige, zu vernichten vermag (Rot auf, Schweineseuche und Rotz).

Sodalauge, Lösung von Soda in Wasser (1CO Teile Wasser, 2–16 Teile Soda), wird meist nur zur vorbereitenden D. gebraucht, um die Infektionsstoffe für die eigentlichen Desinfektionsmittel zugänglicher zu machen; eine desinfizierende Eigenschatt kommt der Sodalauge nicht zu.

Chlorkalk ist ein Gemenge von unterchlorigsaurem Kalk mit Chlorkalzium und enthält in reinem Zustand 39∙7% Chlor, das der wirksamste Bestandteil ist.

Bei größeren Desinfektionsanstalten ist die Verwendung von Chlorkalklösung nicht zu empfehlen, da bei Herstellung der Lösung mindestens 50% der ursprünglich verwendeten Chlorkalkmenge sich als wertloser Abfall ergeben, dessen Beseitigung erhebliche Kosten verursacht. Chlorkalklösung greift auch Metalle und Dichtungen an und macht in kurzer Zeit die Desinfektionsapparate untauglich.

Seine Wirkung auf Milzbrandsporen ist sehr gering.

Javellesche Lauge (Eau de Javelle) die durch Einleiten von Chlor in Sodalösungen hergestellt wird, ist eine klare, farblose oder grünlichgelbe Flüssigkeit, riecht wie Chlorkalk und enthält hauptsächlich unterchlorigsaures Natron. Sie muß in gut verschlossenen, im Dunkeln aufzustellenden Gefäßen aufbewahrt werden.

Der Formaldehyd (Methylaldehyd, Methanol) ist der Aldehyd der Ameisensäure. Das nicht giftige Formaldehydgas ist farblos, im Wasser leicht löslich, riecht stechend und übt auf die Atmungsorgane heftige Reizwirkungen aus. Die wässerigen Lösungen[276] (etwa 40%) kommen im Handel unter dem Namen Formalin und Formol vor. Diese Lösungen machen riechendes Fleisch, faulenden Harn, Exkremente u.s.w. nahezu geruchlos, sind sehr wirksam und sind vielfach als Desinfektionsmittel vorgeschrieben.

Der Geruch nach Formaldehyd in desinfizierten Wagen verliert sich binnen 12 bis 14 Stunden. Nach Ablauf von 24 Stunden können die Wagen mit den empfindlichsten Waren wieder beladen werden.

Um es als Streupulver zu benutzen, läßt man es von Kieselgur aufsaugen (Formalith).

Sapoformal, Formochlorol, Glykoformal sind Formaldehydpräparate.

Lysoform, eine Formaldehyd enthaltende Kaliseifenlösung, ist ungiftig, nicht ätzend und beseitigt sofort jeden üblen Geruch. In Wasser gelöst (2–3%) gibt es eine milchartige Flüssigkeit, die als unschädliches aber zuverlässiges Desinfektionsmittel bezeichnet werden kann. Die Lösungen sind jedesmal frisch zu bereiten.

Autan ist ein pulverförmiges Gemisch von polymerisiertem Formaldehyd und Barium superoxyd. Es hat die Eigenschaft, beim Übergießen mit wenig Wasser fast augenblicklich unter starker Wärmeentwicklung reichliche Mengen von Formaldehyd- und Wasserdämpfen zu entwickeln.

Zur D. von Aborten wird auch der bei der Fabrikation von Torfstreu abfallende und gesiebte Torfmull verwendet, der infolge seines hohen Gehaltes an Huminsäure stark antiseptisch wirkt.


Ganz nutzlos, ja sogar schädlich sind Räucherungen mit wohlriechenden Stoffen. Der Anwendung der Desinfektionsmittel soll in allen Fällen ein gründliches Reinigungsverfahren und bei Wagen auch eine teilweise Austrocknung vorangehen, um das Eindringen der Desinfektionsmittel in die Fugen zu ermöglichen.

Es sind durch viele Versuche Beweise dafür erbracht, wie viel die bloße Reinigung durch mechanische Entfernung der Keime zu leisten vermag und kann ohne Zweifel, wo es sich um die Tötung leicht zerstörbarer Infektionsstoffe handelt, schon durch gründliche Reinigung, verbunden mit Benutzung einer Sodalösung vielfach der angestrebte Zweck erreicht werden.

Im allgemeinen wird unter normalen Verhältnissen, d.h. bei Beförderung von gesunden Tieren nach gründlicher Entfernung des Streues und des Düngers aus den Wagen in den meisten Staaten die sorgfältige Waschung des Wagens (sowohl innen als auch außen) mit heißem Wasser unter Zusatz von Soda allenfalls noch ein Kalken der Innenwände als zweckentsprechende D. angesehen.

In außerordentlichen Fällen, d.h. bei der Beförderung von verseuchten oder seuchenverdächtigen Tieren sind verschiedene Desinfektionsmethoden (verschärfte oder strenge Desinfektion) in Anwendung und sind auch zahlreiche Versuche mit den verschiedenen Desinfektionsmitteln zur Vernichtung der pathogenen Bakterien und Sporen, insbesonderes der Milzbrandsporen vorgenommen worden. Auf Grund der praktischen Versuche in der Desinfektionsanstalt Kaiser-Ebersdorf bei Wien empfiehlt Prof. Dr. Schnürer der tierärztlichen Hochschule in Wien (Zeitschrift für Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere, Berlin 1905, Heft 1) nachfolgendes einfache und wirksame Desinfektionsverfahren für verseuchte Wagen:


»Der Wagen wird zuerst mechanisch mit Besen von dem gröbsten Schmutze (Mist, Streu u.s.w.) gereinigt, sodann die Reinigung mit Dampf oder heißem Preßwasser bis zum Verschwinden makroskopisch sichtbaren Schmutzes fortgesetzt. Nun werden die Wagen eine halbe Stunde bis zur oberflächlichen Abtrocknung stehen gelassen und dann wird zur D. geschritten. In größeren Stationen, in denen stets mehrere Wagen behandelt werden müssen, sollen auch mehrere Wagen zu gleicher Zeit vorgenommen werden, indem jeder Wagen bei geschlossener Tür und geschlossenen Fenstern von der andern offenen Tür aus mit je 15 l 1% Formaldehyds (21/2 l 4% handelsübliche Formaldehydlösung auf 100 l Wasser) bespritzt wird. Sofort nach Beendigung der Arbeit an einem Wagen wird die Türe geschlossen und der Arbeiter geht zum zweiten Wagen. Nachdem die Wagenkolonne auf der einen Seite bespritzt ist, setzt der Arbeiter die Bespritzung auf der andern Seite abermals mit etwa 15 l für jeden Wagen fort. Wenn das Spritzrohr ungefähr 30 cm vor der Drüse unter einem Winkel von beiläufig 100° abgebogen ist, macht es gar keine Schwierigkeit, selbst die dem Arbeiter zugekehrte Längswand des Wagens zum größten Teil mit dem Strahl zu treffen, so daß tatsächlich fast jede Wagenwand bei jedem Turnus mindestens zweimal übergangen wird.

Sodann bleiben sämtliche Wagen mindestens eine halbe Stunde bei geschlossenen Türen und Fenstern stehen, worauf beim ersten und dann auch bei den übrigen Wagen genau derselbe Vorgang wiederholt wird.«

Diese Art der D. ist bei Außentemperaturen über 12° C absolut sicher und hätte nur bei niedrigeren Temperaturen eine Erwärmung des Wagens mit Dampf (10 Minuten lang) stattzufinden.


III. Gesetzliche Bestimmungen über die D. in den einzelnen Ländern. In bezug auf D. gelten in den einzelnen Staaten folgende Bestimmungen:


Deutschland. Nach der, in Ausführung des Gesetzes vom 25. Februar 1876 erlassenen Kundmachung des Reichskanzlers vom 16. und 17. Juli 1904, und den vom Bundesrate erlassenen Vorschriften über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Beförderung von Tieren und fäulnisfähigen Stoffen auf Eisenbahnen, gültig vom 1. August 1907, muß der eigentlichen D. der Wagen stets eine gründliche Reinigung – Beseitigung der Streumaterialien, des Düngers, der Reste von Anbindesträngen u.s.w. sowie ein gründliches Abwaschen mit heißem Wasser und Auskratzen der in die Wagenfugen eingedrungenen Schmutzteile mit eisernen Geräten vorangehen. Wo heißes Wasser nicht in genügender Menge zu beschaffen ist, darf auch unter Druck ausströmendes, kaltes Wasser verwendet werden; jedoch muß vorher zur Aufweichung des anhaftenden[277] Schmutzes eine Abspülung mit heißem Wasser erfolgen.

Die D. selbst hat sich, u. zw. auch in den Fällen, wo der Wagen nur teilweise mit Vieh beladen war, auf alle Teile des Wagens oder des benutzten Wagenabteils zu erstrecken.

Die D. muß bewirkt werden:

a) unter gewöhnlichen Verhältnissen durch Waschen der Fußböden, Decken und Wände mit einer auf mindestens 50° C erhitzten Sodalauge, zu deren Herstellung wenigstens 2 kg Soda auf 100 l Wasser zu verwenden sind;

b) in Fällen einer Infektion des Wagens durch Rinderpest, Milzbrand, Rauschbrand, Wild- und Rinderseuche, Maul- und Klauenseuche, Rotz, Rot lauf der Schweine oder Schweineseuche (einschließlich Schweinepest) oder des dringenden Verdachtes einer solchen Infektion durch Anwendung des unter a vorgeschriebenen Verfahrens und außerdem durch sorgfältiges Bepinseln der Fußböden, Decken und Wände mit einer 3%igen Kresolschwefelsäuremischung. Letztere ist durch Mischen von zwei Raumteilen rohem Kresol (Cresolum crudum des Arzneibuches für das Deutsche Reich) und einem Raumteil roher Schwefelsäure (Acidum sulfuricum crudum des Arzneibuches für das Deutsche Reich) bei gewöhnlicher Temperatur zu bereiten. Zur Herstellung der 3%igen Lösung darf die Mischung frühestens 24 Stunden, spätestens 3 Monate nach ihrer Bereitung benutzt werden. Die Lösung ist innerhalb 24 Stunden zu verwenden. Anstatt des Bepinselns kann auch eine Bespritzung mit einem geeigneten Desinfektionsapparat erfolgen.

Die verschärfte D. (zu b) ist in der Regel nur auf Anordnung der zuständigen Polizeibehörde, ohne solche Anordnung jedoch auch dann vorzunehmen, wenn die Wagen zur Beförderung von Klauenvieh aus verseuchten Gegenden, d.h. von solchen Stationen, in deren Umkreise von 20 km die Maul- und Klauenseuche herrscht oder noch nicht für erloschen erklärt worden ist, gedient haben, oder wenn die Bahnbeamten von Umständen Kenntnis erlangen, die es zweifellos machen, daß eine Infektion des Wagens durch eine der genannten Krankheiten vorliegt oder die den dringenden Verdacht einer solchen Infektion begründen. Der Landespolizeibehörde bleibt es vorbehalten, die verschärfte D. auch in anderen Fällen anzuordnen, wenn sie es zur Verhütung der Verschleppung der bezeichneten Seuchen für unerläßlich erachtet.

Die Kundmachung des Reichskanzlers enthält auch Bestimmungen über die Abnahme der Verschalung bei verschärfter D., über die Abnahme der Polsterungen, über die Reinigung und D. der bei der Verladung und Beförderung der Tiere zum Füttern, Tränken, Befestigen u.s.w. verwendeten Gerätschaften, der beweglichen Rampen und Einladebrücken, der festen Rampen, der D. (des Verbrennens) der Streumaterialien, des Düngers u.s.w.

Für Geflügel gelten laut Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 17. Juli 1904, RGB. Nr. 317, die gleichen Vorschriften.

Mit Erlaß des preußischen Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom 20. März 1911 wurde die verschärfte D. für alle Eisenbahnwagen angeordnet, in denen Klauenvieh befördert wurde.

In den einzelnen deutschen Bundesstaaten bestehen folgende Gesetze und Ausführungsverordnungen:

Baden: Verordnung des großherzoglichen Ministeriums des großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten sowie des großherzoglichen Ministeriums des Innern vom 27. September 1904.

Bayern: Verordnung des kgl. Staatsministeriums des Innern und des kgl. Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten vom 24. August 1904.

Elsaß-Lothringen: Bekanntmachung des Ministeriums für Elsaß-Lothringen, Abteilung für Landwirtschaft und öffentliche Arbeiten vom 16. Dezember 1904.

Oldenburg: Bekanntmachung des Staatsministeriums, Departement des Innern und der Finanzen vom 24. Juli 1901, 17. Dezember 1904 und 14. Oktober 1907.

Hessen: Ausschreiben des großherzoglichen Ministeriums des Innern vom 13. Oktober 1904 und 9. November 1907.

Mecklenburg: Bekanntmachung des großherzoglichen Ministeriums des Innern und der Abteilung für Medizinalangelegenheiten vom 9. September 1904.

Preußen: Ausführungsverordnung des Ministers für öffentliche Arbeiten vom 30. September 1904. Ergänzungserlaß vom 5. Oktober 1907 und Ausführungsgesetz des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forste vom 20. März 1911 und 12. April 1912.

Sachsen: Verordnung der Ministerien des Innern und der Finanzen vom 16. September 1904.

Württemberg: Verfügung des kgl. Ministeriums des Innern vom 16. Dezember 1904 und Verfügung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten (Verkehrsabteilung) vom 21. Dezember 1904.

Österreich (Gesetz v. 19. Juli 1879, RGB. Nr. 108, betreffend die Verpflichtung der D. bei Viehtransporten auf Eisenbahnen und Schiffen und die in der Ministerialverordnung vom 7. August 1879 RGB. 109, enthaltenen Durchführungsbestimmungen. Erlaß des Handelsministeriums vom 25. Juni 1890, betreffend die D. der zur Beförderung von Stalldünger verwendeten Wagen. Verordnung des Ministeriums des Innern, der Justiz, des Handels, der Eisenbahnen und des Ackerbaues vom 21. Februar 1906, RGB. Nr. 30, betreffend die Reinigung und D. von Eisenbahnwagen, in denen Pferde, Maultiere, Esel, Rindvieh, Schafe, Ziegen oder Schweine befördert worden sind. Verordnung der Ministerien des Ackerbaues, der Justiz, des Handels und der Eisenbahnen vom 30. Dezember 1906, RGB. Nr. 223, über die Reinigung und D. von Eisenbahnwagen, die zur Beförderung von Geflügel benutzt werden. Erlaß des Eisenbahnministeriums vom 27. August 1910 betreffend Maßnahmen aus Anlaß der Aktivierung des rumänischen Handelsvertrages [verschärfte D. von Wagen]. Erlaß des Eisenbahnministeriums vom 20. Januar 1911 betreffend Maßnahmen des Transportdienstes aus Anlaß der Aktivierung des serbischen Handelsvertrages [verschärfte D.]. Viehseuchenübereinkommen vom 25. Januar 1905, RGB. Nr. 25, zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reiche; vom 11. Februar 1906, RGB. Nr. 45, zwischen Österreich-Ungarn und Italien.

In Österreich sind auch die Wagen, die zur Beförderung tierischer Rohprodukte (Knochen, Häute, Fleisch, tierische Teile aus Schlachthäusern an der Grenze) dienten, der D. zu unterziehen.

Der eigentlichen D. der Wagen muß, ebenso wie in Deutschland, stets die Beseitigung der Streumaterialien, des Düngers, der Reste von Anbindesträngen u.s.w. sowie eine gründliche Reinigung durch heißes Wasser, nur im Ausnahmefall durch unter Druck ausströmendes kaltes Wasser vorangehen.[278] Die über die Reinigung und D. in Österreich bestehenden Vorschriften decken sich fast vollständig mit jenen des Deutschen Reiches (s. S. 278).

Ebenso stimmen auch die in Österreich hinsichtlich der verschärften D. geltenden Bestimmungen mit den in Deutschland in Kraft stehenden Vorschriften im wesentlichen überein. Diesbezüglich enthält die österreichische Ministerial-Verordnung vom 21. Februar 1906 auch die Vorschrift, daß es den politischen Bezirksbehörden obliegt, in Fällen, in denen die verschärfte Art der D. Platz zu greifen hat, die erforderlichen Anordnungen rechtzeitig zu treffen und den zuständigen Eisenbahnorganen bekanntzugeben, bzw. die letzteren von dem Auftreten und Erlöschen der Maul- und Klauenseuche in einem weniger als 20 km von der betreffenden Station entfernten Ort sofort zu verständigen.

Hinsichtlich der D. der Gerätschaften enthalten die österreichischen Vorschriften gleichfalls eingehende Bestimmungen.

Für Geflügelwagen haben vorstehende Vorschriften sinngemäß Anwendung zu finden. (Min.-Erl. vom 30. Dezember 1909 RGB. Nr. 223.)

Aus Rumänien kommende, mit Tieren, tierischen Rohstoffen, bzw. tierischen Produkten beladene Eisenbahnwagen sind sofort nach der Ausladung samt den dazugehörigen Gerätschaften der Reinigung und verschärften Desinfektion zu unterziehen. (Eis.-Min.-Erl. vom 27. August 1910, Z. 44091/16.)

Das gleiche gilt auch für Sendungen aus Serbien. (Eis.-Min.-Erl. vom 20. Januar 1911, Z. 3111/16.)

Ungarn sowie Bosnien und die Hercegovina haben sich dem Viehseuchenübereinkommen mit dem Deutschen Reiche vom 25. Januar 1905, RGB. Nr. 25, angeschlossen. Im übrigen gelten rücksichtlich der Durchführung der D. der Viehtransportwagen die gleichen Bestimmungen wie in Österreich.

Ungarn verwendet auf Grund des Gesetzartikels XX vom Jahre 1889 zur D. von Wagen, insbesondere aber von Schiffen Wasserdampf oder eine Lösung von 2% Karbolsäure und 5% Eisenvitriol, mit der alle Bestandteile zu waschen sind.

Belgien. Auf die D. beziehen sich die königl. Erlasse vom 23. Mai 1879 und 10. Dezember 1890 sowie die Ministerialerlasse vom 25. September 1883 und 30. Dezember 1890, ferner die einschlägigen Bestimmungen des Règlement général d'exploitation vom 15. Juli 1911. Hiernach besteht die D. vorerst im Ausfegen und Abkratzen sämtlicher Überreste von Streu, Fäkalien, Überreste von Futter u.s.w., die sorgfältig gesammelt und mittels ungelöschten Kalkes in Kompost verwandelt werden, u. zw. kommt zwischen je einer 20–30 cm hohen Lage von Mist eine 4–5 cm starke Kalklage. Sodann besprengt man das Ganze gehörig mit Wasser, um den Kalk auf diese Weise zu löschen.

Die eigentliche D. der Wagen geschieht durch reichliche Zuleitung von Wasserdämpfen, um ein leichteres Wegschaffen des anhaftenden Düngers zu ermöglichen. Hierauf wird der Wagen mit Wasser und etwas Sodazusatz gereinigt und nachher mit heißer alkalischer Lauge (1 Teil Pottasche oder Soda in 12–15 Teilen mindestens 70° C heißen Wassers unter Zusatz eines Teiles gelöschten Kalkes) gründlich gewaschen.

Auch die Verwendung einer mit Chlor gemischten Kalkmilch (1 Teil Chlorkalk in 10 Teilen Wasser) oder einer 2–5%igen Karbolsäurelösung ist gestattet.

Die D. muß spätestens innerhalb sechs Stunden nach Entladung oder Ankunft des Wagens in der Desinfektionsstation erfolgen.

Abgesehen von der gewöhnlichen D. gibt es auch in Belgien eine außerordentliche (strenge oder verschärfte) D. der Wagen, Geräte und Utensilien, insbesonders in Fällen, in denen feststeht, daß in einem Wagen infiziertes Vieh befördert wurde. Auch die zur Verladung und Entladung von Vieh dienenden Rampen und Plätze sind nach Ankunft und Abgang der Tiere sorgfältig zu reinigen, bzw. bei herrschender Viehseuche zu desinfizieren. Diese verschärfte D. hat gemäß den Anordnungen und unter Aufsicht eines Tierarztes zu geschehen. Wenn sich in den Viehwagen Glatteis bilden sollte, so wird dem Waschwasser Meersalz zugesetzt und wird der Boden des Wagens mit Asche, Sand, Stroh oder Sägespänen bestreut.

(Règlement général d'esploitation de l'Administration des chemins de fer de l'Etat belge 1911, Chapitre IX.)

Dänemark (Gesetz und Justizministerialerlaß vom 12. April 1911 nebst Desinfektionsvorschrift der dänischen Eisenbahnen vom 9. September 1911) verwendet zur D. nebst heißem Wasser 21/2%ige Kresolseifemischungen, für besondere Verhältnisse 5%ige Kresolseifelösungen.

Für verseuchte Wagen wird Kalkmilch (1 Teil Kalk auf 8 Teile Wasser) verwendet. Personenwagen werden mit Formalindämpfen desinfiziert.

Frankreich. Die Vorschriften über die D. sind in dem Gesetze vom 21. Juli 1881 nebst Durchführungsverordnung vom 22. Juni 1882 und Erlaß der Minister für öffentliche Arbeiten und des Ackerbaues vom 27. Oktober 1900, bzw. 26. Mai 1903 enthalten.

Auf Grund des Erlasses vom 26. Mai 1903 kann die D. der Viehwagen nach Wahl vorgenommen werden, u. zw.:

1. durch Kalkmilch, zubereitet knapp vor der Verwendung aus ungelöschtem Kalk im Verhältnisse 10 : 100;

2. mit Hyperchloritlösungen (unterchlorigsaures Natron oder unterchlorigsaures Kali), von denen 1 l von mindestens 5° Chlorgehalt auf 9 l Wasser gegeben wird (Javellesche Lauge). Die Hyperchloritlösung ist an einem kühlen Ort, nicht dem Licht ausgesetzt, aufzubewahren;

3. durch siedendes Wasser, das durch Dampfdruck auf die Wagenteile gespritzt wird;

4. nach besonderer Ermächtigung des Ackerbauministers auf Grund eines Gutachtens des Comité consultatif des epizooties auch durch andere Desinfektionsmittel.

Krankes Vieh wird zur Beförderung nicht zugelassen.

Wenn während der Beförderung oder beim Eintritt auf französisches Gebiet eine ansteckende Krankheit bei den zu befördernden Tieren festgestellt wird, hat die D. der Wagen nach Angabe und unter Aufsicht des zur Untersuchung bestellten Tierarztes zu geschehen.

Die D. hat binnen 48 Stunden zu erfolgen. Diese Frist wird um 24 Stunden verlängert, wenn der Wagen in eine Zentraldesinfektionsanstalt gesendet werden muß.

Italien. Auf Grund des Gesetzes vom 26. Juni 1902 wurde vom Ministerium des Innern im selben Jahre eine veterinärpolizeiliche Verordnung erlassen, die durch die Verordnung vom 3. März 1904 ergänzt wurde. Die Eisenbahnbehörde hat rücksichtlich der Wagendesinfektion Dienstbefehle[279] (Ordini di servizio) erlassen, u. zw. Nr. 98 und 181 vom Jahre 1902, die noch in Kraft stehen und im II. Band der Sammlung der hauptsächlichsten Verfügungen und Anordnungen (Raccolta delle principali disposizioni e norme relative al servizio delle gestioni merci) Auflage August 1902 enthalten sind. Nach diesen Vorschriften besteht die Wagendesinfektion bei Beförderung von gesundem Vieh nach Entfernung des Streumaterials und der Düngermassen in dem gründlichen Abkratzen der Wände und des Bodens sowie in dem Auskratzen der Fugen und ausgiebiger Waschung und Spülung mit Wasser unter Druck, wobei auch bei Wassermangel ein Waschen mit Sodalauge (50 g Soda auf 1 l Wasser) gestattet ist. Bei Seuchenverdacht oder faktischer Infektion werden der ausgeräumte Dünger und die Auswurfstoffe mit einer Desinfektionsflüssigkeit begossen und wird auch der mit Sodalauge gründlich gereinigte Wagen mit einer warmen Mischung von Seifenwasser und 5% Karbolsäure oder mit einer 5–10%igen wässerigen Lösung von gleichen Teilen Karbolsäure und Schwefelsäure gewaschen.

Auch die Verwendung einer Sublimatlösung von 1 bis 3 unter Zusatz von 7 Kochsalzlösung oder die Verwendung einer wässerigen Lösung von 5 Salzsäure oder 5 Schwefelsäure ist gestattet.

Das Kalken der Wände ist nur bei Beförderung von gesundem Vieh vorgeschrieben. (§ 4, § 9 und § 10 der Leilage zur Istruzioni ministeriale della Polizia veterinaria vom 3. März 1904.)

Niederlande. (Königl. Verordnungen vom 19. Juni 1885 und 26. Mai 1888.) Aus den Viehtransportwagen sind vorerst Dünger und Mist zu entfernen, die Wagen mit Besen auszufegen und der Boden und die Seitenwände mit Wasser zu scheuern und nachzuspülen bis zur vollständigen Sauberkeit. Nötigenfalls hat das Scheuern mit kalter oder heißer Sodalauge oder Pottaschenlösung (1 Teil auf 3 Teile Wasser) zu geschehen. Die gut gereinigten Wände und der Boden sind darauf zu desinfizieren, indem man sie mit Kalkmilch, Chlorkalkmilch, Karbol- oder Sublimatwasser bestreicht oder einen Dampfstrahl von mindestens 2 Atm. Druck (120°C) auf die zu desinfizierenden Stellen einwirken oder aber einen Strahl von mindestens 6 Atm. Druck (160° C) in den dicht verschlossenen Wagen eindringen läßt.

Auf ähnliche Weise müssen die Laufplanken sowie alles, was mit dem Vieh in Berührung gekommen ist, desinfiziert werden.

Norwegen verwendet nach den im Einvernehmen mit dem Sanitätsdepartement des Justizministeriums erlassenen Verordnungen der Generaldirektion der norwegischen Staatsbahnen vom 6. April 1909 und 5. Mai 1912 bei gewöhnlicher D. 50° C heiße 2%ige Sodalauge, bei verschärfter D. nebst obigen eine Mischung von 4% Kreolin oder rohe Karbolsäure mit 2% Salz- oder Schwefelsäure. Nach Waschung des Wagens wird er mit Kalk bestrichen.

Rußland. Hier wurden auf Grund des Artikels 175 des allgemeinen russischen Eisenbahngesetzes im Einverständnis mit dem Ministerium des Innern die veterinärsanitärischen Vorschriften, betreffend die D. der Wagen, Verladeplätze und Ladeutensilien bei Verladung von Vieh, durch den Chef des Verkehrsministeriums mit 1. April 1892 bestätigt und am 15. April 1892 dem Senate vorgelegt. Diesbezüglich sind im Nachtrag VI zu obigem Eisenbahngesetze zahlreiche Verordnungen ergangen. Die D. der Eisenbahngüterwagen wird von der »Abteilung für temporäre Verfügungen für veterinärpolizeiliche Aufsicht über das Vieh« vorgeschrieben und wurde am 10. Februar 1912 unter dem Titel: »Die Erhaltung, Reinigung und Verhütung der Verpestung von Stationsräumen, Wagen und überhaupt sämtlicher Gegenstände, die auf russischen Bannen bei der Beförderung von Tieren und von diesen erhaltenen Rohprodukten in Gebrauch gewesen sind« genehmigt.

Die D. der Wagen hat gemäß Verordnung vom 16. Februar 1905 zu geschehen und ist die Wahl der Desinfektionsmittel den die veterinärpolizeiliche Aufsicht ausübenden Beamten überlassen.

Die allgemein angewendete Methode der D. von Wagen nach der Beförderung von gesundem Vieh und Geflügel besteht darin, daß der Mist aus dem Wagen entfernt, der Boden mit heißem Wasser befeuchtet (auch heiße Alkalilösungen werden verwendet) und von den Schmutzresten mechanisch gereinigt wird, worauf mit heißem Wasser nachgewaschen wird.

Haben sich hingegen in den Wagen kranke Tiere befunden, so wird über Anordnung des Tierarztes ein entsprechendes Desinfektionsverfahren verwendet, der Mist mit ungelöschtem Kalk vermengt und vergraben oder verbrannt; der Wagen mit heißem Wasser, Alkalilösungen oder mit Sulfokarbolsäure in 5%iger Lösung derart behandelt, daß eine vollständige Reinigung erzielt wird.

Hierauf wird der Wagen mit einer desinfizierenden Flüssigkeit, einem Gemisch von Sublimatlösung (2 : 1000) und 3%iger Karbolsäure, reichlich begossen und zum zweiten Male gewaschen. Eiserne Bestandteile des Wagens werden mittels entsprechender Vorrichtungen durch die Flamme desinfiziert.

In den Zentraldesinfektionsstationen werden die Wagen durch strömenden Wasserdampf seitens des Zugförderungsdienstes desinfiziert.

Schweden (königl. Bekanntmachung vom 3. November 1892 und Ergänzungsbestimmungen der Medizinalbehörde vom 25. November 1892, 20. November 1908 und 15. April 1912) verwendet Kalkmilch (1 Teil Kalk und 4 Teile Wasser), heißes Wasser, Karbolsäurelösung (5 Teile Karbolsäure in 100 Teilen Wasser) oder 5 Teile Karbolsäure und 5 Teile gewöhnliche Seife in 100 Teilen warmen Wassers.

Für Personenwagen ist die Verwendung einer Sublimatlösung (1 : 1000) und nachheriges zweites Waschen (nach 3 Stunden) mit Seifenwasser vorgeschrieben.

Schweiz. Vollziehungsverordnung zu den Bundesgesetzen über polizeiliche Maßnahmen gegen Viehseuchen vom 8. Februar 1872, 19. Juli 1873, 1. Juli 1886, 14. Oktober 1887. Instruktion, betreffend das beim Auftreten kontagiöser und infektiöser Tierkrankheiten zu beobachtende Desinfektionsverfahren und die anzuwendenden Desinfektionsmittel vom 1. August 1889, und die Vorschriften, betreffend die Reinigung, Waschung und D. der zum Viehtransport verwendeten Eisenbahnwagen und Schiffe genehmigt vom Bundesrate am 22. März 1907. Kreisschreiben des schweizerischen Landwirtschaftsdepartements vom 21. Juli 1909.

Laut Artikel 40 der »Instruktion über den Ein- und Auslad von Gütern und Tieren« sind Eisenbahnwagen, in denen Pferde, Maultiere, Esel, Rindvieh, Ziegen, Schafe, Schweine befördert worden sind, vor ihrer neuen Verwendung zu reinigen, zu waschen und zu desinfizieren.

Die Reinigung der Wagen besteht in der Beseitigung der Streue, Exkremente und anderer Abfälle, die in eine hierfür bestimmte Grube zu[280] werfen sind. Diese Grube besteht aus zwei wasserdichten Abteilungen; sobald eine angefüllt ist, muß sie mit Erde bedeckt werden; das Leeren darf nicht vor 20 Tagen und so lange nicht erfolgen, als die andere Abteilung Exkremente aufnehmen kann. Auf diese Weise ist zwischen den beiden Grubenabteilungen zu wechseln.

Die Waschung muß unmittelbar nach der Reinigung erfolgen und mittels Hydranten oder Pumpen durch Druckwasser ausgeführt werden.

Bei Frost ist warmes Wasser zu verwenden, damit angefrorene Exkremente und Unreinigkeiten vollständig entfernt werden.

Zur D. der zur Viehbeförderung verwendeten Eisenbahnwagen und Schiffe, der Kai- und Rampenanlagen, Barrieren. Geräte, Werkzeuge u.s.w. werden folgende Desinfektionsmittel als allein zulässig erklärt:

1. Das »Creosolum saponatum«, die Kresolseifenlösung sowie die gleichartigen Desinfektionsmittel Kresapol, Kresol Roche, das Sepsol von St. Margarethen u.s.w. unter der Bedingung, daß diese Produkte mindestens 50% Kresol auf 1 l enthalten. Die Lösung soll im warmen Wasser eine 3%ige, im kalten Wasser eine 5%ige sein.

2. Das »Formaldehydum saponatum«, die Formaldehydseifenlösung und deren gleichartige oder verwandte Produkte, wie z.B. das Lysoform, das Sapoformal u.s.w. unter der Bedingung, daß diese Produkte mindestens 57 g Formaldehyd und 200 g Fettsäure (in Seifenform) auf 1 l enthalten.

Die betreffenden Lösungen sind mittels warmen Wassers 5%ig herzustellen.

Für alle Desinfektionsmittel gilt die Verwendung warmen Wassers als Regel; wo dessen Beschaffung unmöglich oder mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden ist, darf ausnahmsweise kaltes Wasser verwendet werden. Zur Verteilung der Desinfektionsmittel ist ein Pulverisator zu verwenden. Bei ansteckenden Krankheiten ist die D. unter Aufsicht eines patentierten Tierarztes vorzunehmen. In Österreich-Ungarn sowie in Frankreich wird die in der Schweiz vorgenommene D. als gültig anerkannt, nicht aber in Deutschland.

Die mit Vieh nach Italien übergegangenen Schweizer Wagen sind bei ihrer Rückkunft auf der italienisch-schweizerischen Grenzstation in allen Fällen zu desinfizieren.

England. Die Bestimmungen für die Beförderung von Tieren auf Schiffen und Eisenbahnen sind in der »Animal (Transit and General) Order« von 1895 und in den Ergänzungsvorschriften von 1904 enthalten. Nach den Vorschriften über die Desinfektionsmittel »Diseases of Animals (disinfection) Order von 1906« wird zur D. hauptsächlich verwendet:

a) eine 1%ige Chlorkalklösung mit mindestens 30% tatsächlichem Chlorgehalt;

b) eine 5%ige Karbolsäurelösung, wobei die Karbolsäure mit mindestens 95% Reinheit garantiert sein muß, mit darauffolgendem Tünchen der Wände und des Bodens mit Kalkmilch;

c) in besonderen Fällen andere Desinfektionsmittel und Tünchen mit Kalkmilch.

Die D. hat binnen 12 Stunden zu geschehen.

In Amerika wenden die Bahnen gleichfalls der D. von Viehwagen ihre Aufmerksamkeit zu.

Bereits im Jahre 1889 ist die Bundesregierung eingeschritten und hat der Sekretär des Ackerbauministeriums an die hauptsächlich beim Viehverkehr beteiligten Eisenbahnen ein Rundschreiben erlassen, worin er die Notwendigkeit darlegt, das zur Ausfuhr bestimmte Rindvieh nur in desinfizierten Wagen zu befördern und dadurch der Verbreitung des »Texasfiebers« entgegenzutreten. Zugleich wird in diesem Rundschreiben den Bahnen mit der Erlassung von Zwangsvorschriften gedroht, falls sie nicht freiwillig die nötigen Maßnahmen treffen sollten. Tatsächlich haben die »Trunkbahnen« bereits ihre Organe angewiesen, für die Ausfuhr nur desinfizierte Wagen zu verwenden.

Lassak.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 272-281.
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