Müller-Grote, Carl

[1092] Müller-Grote. Carl Müller-Grote wurde am 31. Oktober 1833 in Minden geboren, wo er die Schule besuchte und in der Buchhandlung von J. Keiser & Co. die Lehre bestand. Die buchhändlerischen Wanderjahre, die nur durch die Ableistung der einjährigen Militärpflicht unterbrochen wurden, führten ihn nach Cassel, Berlin und Stuttgart, von wo aus sich Gelegenheit bot, Universitätsvorlesungen in Tübingen zu hören, und dann nach Hamm, wo Müller-Grote die Leitung der durch den Tod des Besitzers verwaisten G. Groteschen Sortiments- und Verlagsbuchhandlung übernahm. Im März 1859 heiratete er die Witwe des verstorbenen Besitzers und wurde dadurch Inhaber der Firma. Von Anfang an richtete sich sein Streben auf die Entwicklung des Verlages, der neben einigen juristischen Publikationen (darunter die jetzt im Verlage von Franz Vahlen erscheinenden »Beiträge zur Erläuterung des Preußischen Rechts von Gruchot«) auch bereits die ersten drei Teile des später zu so großer Verbreitung gelangten deutschen Lesebuches von Hopf & Paulsiek enthielt. Die erste Zeit seiner Tätigkeit in Hamm waren Jahre des Tastens und Suchens auf verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten, und erst, als er einige erfolgreiche Werke der Geschenkliteratur[1092] verlegt hatte, da war ihm für seine fernere Verlagstätigkeit die Richtung gewiesen, der er dann auch in der Zukunft stets treu geblieben ist.

Im Jahre 1865 verkaufte Müller-Grote das Sortimentsgeschäft und verlegte den Verlag nach Berlin, und hier begann er die mit weitem Blick, ruhiger Umsicht und tiefem Verständnis geplanten und durchgeführten großen Unternehmungen, die seine Firma bald zu einer der vornehmsten und seinen Namen zu einem der angesehensten im deutschen Buchhandel gemacht haben. Schon 1867 begann das Erscheinen der illustrierten Ausgaben unserer Klassiker. 1869 wurden Rambergs Bilder zu Goethes Hermann und Dorothea erworben, die in zahlreichen Auflagen erschienen und denen sich eine ganze Reihe ähnlicher Prachtwerk-Publikationen anschlossen. Daneben wurde die moderne Literatur gepflegt. In der von Müller-Grote ins Leben gerufenen umfangreichen »Sammlung von Werken zeitgenössischer Schriftsteller« finden wir die Namen unserer besten neueren Schriftsteller, unter ihnen vor allem Julius Wolff und Gustav Frenssen, mit dessen Romanen er einen in Deutschland beispiellosen Erfolg erringen durfte. In den siebziger und achtziger Jahren unternahm er den Verlag großer enzyklopädischer Werke auf dem Gebiete der Geschichte, Kunst- und Literaturgeschichte. Der Schulbücherverlag wurde eifrig gefördert und es erschienen bedeutende Werke der wissenschaftlichen Literatur, als eins der letzten die große Lutherbiographie von Hausrath, die der Anregung Müller-Grotes ihr Entstehen verdankt. Daneben liefen große monumentale Publikationen offiziellen Charakters: die Gemälde-Gallerie der Königlichen Museen, die antiken Sarkophag-Werke, das Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen, Albrecht Dürers Zeichnungen in Nachbildungen, Lucas Cranachs Radierungen und Kupferstiche und ähnliche Werke von gewaltigem Umfange und höchster künstlerischer Bedeutung, die zugleich eine Geschichte der Entwicklung der Reproduktionstechniken darstellen.

Diese weitumfassende verlegerische Tätigkeit stellte an die Arbeitskraft Müller-Grotes die höchsten Anforderungen, trotzdem blieb ihm aber noch Zeit, sich den allgemeinen Angelegenheiten des deutschen Buchhandels zu widmen, denen er stets seine volle Teilnahme entgegengebracht hat und für deren Vertretung er immer mit allem Nachdruck gewirkt hat. In der Korporation der Berliner Buchhändler hat er von 1879-1884 als Mitglied des Hauptausschusses gewirkt. Im Börsenverein war er in verschiedenen Ausschüssen tätig, und in den bewegten Jahren 1884-1889 verwaltete er im Vorstande das Amt des ersten Schriftführers. Ein reichbewegtes[1093] und reichgesegnetes Leben lag hinter ihm, als ihn der Tod am 30. November 1904 abrief.

Quellen: Korporationsbericht der Berliner Buchhändler 1904.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 6. Berlin/Eberswalde 1908, S. 1092-1094.
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