Beleuchtung

[145] Beleuchtung. (Zeichnende Künste)

Der Zufluß des Lichts, wodurch eine Sache sichtbar wird. In der Natur kann ein Gegenstand durch das Licht auf gar vielerley Art beleuchtet werden, und nach jeder Art thut er seine besondre Würkung auf das Aug. Durch die Art der Beleuchtung kann eine Landschaft mehr oder weniger Schönheit bekommen, nachdem sie entweder im Ganzen oder in Theilen mehr oder weniger Klarheit erhält. Oft ist die Würkung von verschiedenen Arten der Beleuchtung so sehr verschieden, daß man sich kaum bereden kann, dieselbe Sache zu sehen; da blos das Licht sie so angenehm oder so gleichgültig macht.

Es würde ein vergebliches Unternehmen seyn, die Würkungen der verschiedenen Beleuchtung eines Gegenstandes ausführlich beschreiben zu wollen. Die Absicht dieses Artikels geht blos dahin, die angehenden Künstler zu einer genauen Aufmerksamkeit auf diese Sache zu bringen. Denn die Kenntnis derselben ist ein wichtiger Theil der Kunst des Mahlers.

Ueber diese verschiedenen Würkungen kann man sich am besten unterrichten, wenn man einerley Gegenstand unter vielerley verschiedenen Beleuchtungen ofte betrachtet. Wenn z. B. eine Gegend bey sehr heller und bey trüber Luft, bey starkem Sonnenschein und gemäßigtem Tageslicht, bey hoch und niedrigste hender Sonne, bey vorwerts, seitwerts und rükwerts einfallendem Lichte betrachtet wird.

Bey jedem dieser veränderten Umstände sieht man ein anders Gemählde. Was nun vorzüglich in jedem dieser Gemählde gefällt oder mißfällt, wo irgend eine vortheilhafte oder schlechte Würkung der Beleuchtung sich offenbaret, da erforsche der Mahler die Ursache derselben. Es wäre eine höchst wichtige Uebung für ihn, denselbigen Gegenstand unter gar vielerley Arten der Beleuchtung zu zeichnen und zu schattiren, diese Zeichnungen fleißig gegen einander zu halten, und so lange daran zu studiren, bis jede geringste Verschiedenheit derselben nach ihren Ursachen und Würkungen ihm völlig bekannt würde. Nur dadurch kann er eine vollkommene Kenntniß der Beleuchtung erlangen. Die Kunst würde höher getrieben seyn, als sie würklich ist, wenn die, welche sie ausüben, den gehörigen Fleis zu Erforschung ihrer Geheimnisse anwendeten.

Diesem Studiren in der Natur kann man auch durch künstliche Veranstaltungen zu Hülfe kommen. Sehr vortheilhaft wäre es für eine Mahleracademie in dieser besondern Absicht, wenn dieselbe eine kleine Schaubühne hätte, auf welcher verschiedene Modele durch leichte Veranstaltungen jeder Art der Beleuchtung[145] ausgesetzt werden könnten. Die Lichter müßten bald in der Höhe, bald in der Tiefe, bald gerade von vornen, bald von den Seiten stehn. Der hintere Grund könnte durch Vorhänge von verschiedener Helligkeit und verschiedenen Farben gemacht werden.

Zum wenigsten ist jedem Mahler zu rathen, daß er dergleichen Veranstaltungen in seinem Arbeitszimmer mache. Dieses müßte so liegen, daß er die Sonne und das Tageslicht von allen möglichen Seiten und aus jeder Höhe bekommen könnte. Jedes Fenster aber müßte nach Gefallen eröffnet und verschlossen werden können. Die Wand, vor welcher die Gegenstände liegen, müßte man mit verschiedenen Tüchern behängen können. Auf diese Weise würde jede Art der Beleuchtung auf das genaueste erkennt werden.

Ohne dergleichen Veranstaltungen wird der Mahler schweerlich zu der Einsicht über die Beleuchtung kommen, die zur Erreichung der vollkommenen natürlichen Darstellung der Sache erfodert wird.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 145-146.
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