Mosaisch

[778] Mosaisch. (Mahlerey)

Eine Art Mahlerey, die aus Aneinandersezung kleiner Stüke, gefärbter Steine oder gefärbter Gläser gemacht wird. Wenn man sich vorstellt, daß ein etwas großes Gemählde durch feine in die Länge und Queer über dasselbe gezogene Striche in sehr kleine Viereke getheilt sey, so begreift man, daß jedes dieser Viereke seine bestimmte Farbe habe, und das ganze Gemähld kann als ein stükweis aus diesen Viereken zusammengeseztes Werk angesehen werden. Sezet man nun, daß ein Künstler einen hinlänglichen Vorrath solcher Viereke von Stein oder Glas geschnitten, nach allen möglichen Farben und deren Schattirungen vor sich habe, daß er sie in der Ordnung und mit den Farben, die sie in jenem durch Striche eingetheilten Gemählde haben, vermittelst eines feinen Küttes genau aneinanderseze, so hat man ungefehr die Vorstellung, wie ein Mosaisches Gemähld verfertiget werde, und wie überhaupt ein Gemählde auf diese Weise copirt werden könne. Freylich wird der, welcher kein feines, auf diese Weise verfertigtes Werk gesehen hat, sich nicht vorstellen können, daß sie in der Vollkommenheit und Schönheit gemacht werden, die ihnen in einer geringen Entfernung des Auges das Ansehen würklicher mit dem Pensel gemachter Gemählde giebt. So weit ist aber die Kunst der mosaischen Arbeit gegenwärtig gestiegen, daß das Aug auf diese Weise damit getäuscht wird.

Der Ursprung dieser Gattung der Mahlerey fällt in das höchste Alterthum, und man hat Gründe zu vermuthen, daß die alten Perser,1 oder die noch älteren Babylonier, das älteste uns bekannte Volk, bey welchem Ruh und Reichthum die Pracht in Gebäuden veranlasset hat, die Erfinder derselben seyen. Vielleicht ist dieses sogar die älteste Mahlerey, woraus die eigentliche Mahlerey erst nachher entstanden ist. Die Menschen haben ein natürliches Wolgefallen, an schönen Farben und deren mannigfaltigen Zusammensezung. Völker, denen man noch den Namen der Wilden giebt, verfertigen zu ihrem Puz Arbeiten von bunten Federn und Muscheln, die blos wegen der Schönheit der Farben von ihnen hochgeschäzt werden. Da hat man den ersten Keim der Mahlerey durch Zusammensezung. In dem Orient, wo die Natur den Reichthum der Farben in Steinen vorzüglich zeiget, scheinet der Einfall, durch Aneinandersezung solcher Steine das zu erhalten, was der Amerikaner durch Zusammensezung schöner Federn erhält, dem müßigen Menschen natürlicher Weise gekommen zu seyn.

Vermuthlich wurden solche Steine zuerst zum Schmuk, als Juweele zusammengesezt; wovon wir [778] an dem Brustschild des obersten Priesters der Ißraeliten ein sehr altes Beyspiel haben. Nachdem die Pracht auch in die Gebäude gekommen, wird man die Wände, die Deken und Fußböden der Zimmer mit bunten Steinen ausgelegt haben. Mit der Zeit verfeinerte man diese Arbeit, und man versuchte auch, Blumen und andre natürliche Gegenstände durch dieselbe nachzuahmen, und so entstund allmählig die Kunst der mosaischen Mahlerey, die hernach durch Erfindung des gefärbten Glases vollkommener geworden.

Wie dem sey, so ist doch dieses gewiß, daß nicht nur die alten morgenländischen Völker, sondern auch die Griechen, und nach ihnen die Römer, vielerley Werke dieser Art verfertiget haben. Unter den Ueberbleibseln des Alterthums besizet die heutige Welt noch verschiedene mosaische Werke von mancherley Art, davon einige noch etwas rohe, andere eine schon auf das höchste gestiegene Kunst anzeigen.2 Zu diesen leztern rechne ich einen Stein, oder vielmehr eine antike Paste, die mir der izige Besizer derselben, Hr. Casanova in Dreßden gezeiget, und deren auch Winkelmann gedenkt.3 Das Werk ist aus durchsichtigen Glasstüken zusammengesezt, zeiget aber nicht die geringste Spuhr von Fugen, sondern die Stüke sind an einander geschmolzen, und mit so feiner Kunst, daß man es für ein Werk des feinesten Pensels halten würde, wenn nicht die Durchsichtigkeit des Glases die Gattung der Arbeit deutlich zeigte.

Ob man also gleich aus dem Alterthum sonst keine mosaischen Gemählde vorzeigen kann, die denen, die gegenwärtig in Rom verfertiget werden, nur einigermaaßen zu vergleichen wären, so beweiset jene Paste schon hinlänglich, wie hoch die Kunst in diesem Stük bey den Alten gestiegen sey. Sonst sind die meisten antiken mosaischen Arbeiten aus vierekigten Stüken noch etwas nachläßig zusammengesezt, so daß merkliche Fugen zu sehen sind. Gegenwärtig ist diese Kunst in Rom zu einer bewundrungswürdigen Höhe gestiegen. Die rühmliche Begierde die in der Peterskirch befindlichen erhabenen Werke des Pensels eines Raphaels und andrer großen Meister, vor dem Untergang, der unvermeidlich schien, zu retten, hat das Genie ermuntert diese Mahlerey zu vervollkommnen. Es ist ihm auch so gelungen, daß gegenwärtig eine große Anzahl fürtreflicher alter Blätter, auf das Vollkommenste nach den Originalgemählden mosaisch copirt in der Peterskirche stehen, und nun so lang, als dieses bewundrungswürdige Gebäude selbst stehen wird, immer so frisch und so neu, wie sie aus den Händen der Künstler gekommen, bleiben werden.

Es scheinet, daß etwas von dem mechanischen der Kunst sich noch aus dem Alterthum bis auf die mittlern Zeiten fortgepflanzt habe. Gegen Ende des XIII Jahrhunderts soll Andreas Tassi die mosaische Arbeit wieder in Schwung gebracht haben. Er selbst hat sie von einem Griechen, Namens Apollonius gelernt, welcher in der Marcuskirche zu Venedig arbeitete. Aber alles, was man von jener Zeit an, bis auf die erstern Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts in dieser Art gemacht hat, kommt gegen die neuern Arbeiten der römischen Mosaikschule in keine Betrachtung. Man hat izt nicht nur gar alle Hauptfarben, sondern auch alle möglichen Mittelfarben in Glase, und die Glasstükchen, woraus man die Gemählde zusammensezet, werden so fein gemacht, und so gut an einander gefuget, daß das Gemählde, nachdem die ganze Tafel abgeschliffen und polirt worden, in Harmonie und Haltung ein würkliches Werk eines guten Pensels zu seyn scheinet.

»Die Verbesserung und Vollkommenheit dieser unvergleichlichen Kunst hat man dem Cavalier Peter Paul von Cristophoris einem Sohn des Fabius in Rom zu verdanken, welcher gegen den Anfang dieses iztlaufenden Jahrhunderts eine mosaische Schule angelegt, und viele große Schüler gezogen hat. Darunter sind Brughio, Conti, Conei, Fattori, Goßone, Octaviano und andere, die vornehmsten, welche – die Kunst bis heute fortgepflanzt haben. Um das Jahr 1730 hatten sie noch kein hochrothes mosaisches Glas, bis eben damals Alexis Mathioli so glüklich war, das Geheimnis dieser geschmolzenen Composition zu erfinden.«4

Aber der erstaunliche Aufwand, den diese Kunst erfodert, wird ihrer Ausarbeitung immer sehr enge Schranken sezen. Bis izt wird sie, so viel mir bekannt ist, nur in Rom, meistentheils auf öffentliche [779] Unkosten in ihrer Vollkommenheit getrieben, wo die Hauptwerkstelle auf der Peterskirche selbst angelegt ist.

1Man sehe hierüber Joh. Alex. Furietti de Musicis. Romæ 1752. 4to. ingleichen die Nachricht von mosaischen Gemählden in Köremons Natur und Kunst in den Gemählden etc. im II Theil, auf der 388. u. ff. S.
2S. Winkelmans Geschichte der Kunst, S. 406. 407. und die Anmerkung über dieses Werk, S. 103. und 122.
3S. Anmerkungen über die Geschichte der Kunst, S. 5 und 6.
4S. Köremon an den angezogenen Orte.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 778-780.
Lizenz:
Faksimiles:
778 | 779 | 780
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika