Manheim

1. Manheim hat (vier Widersprüche): einen Brunnen ohne Sprung, einen Löwen ohne Zung', einen Bürgermeister ohne Sitz und einen Rathsthurm ohne Spitz'.


2. Manheim hat einen Brunnen ohne Sprung, einen Löwen ohne Zung', einen Mann ohne Mütz', einen Kirchthurm ohne Spitz', einen Bürgermeister ohne Witz.

Unter dem Brunnen ist derjenige gemeint, den der Bildhauer Crepello 1741 auf dem Paradeplatz errichtete, den er mit Brunnenschalen, mit Grotten, kurz mit allem versah, nur nicht mit Wasser. – Was den Löwen betrifft, so gehen die Ansichten auseinander. Die einen verstehen darunter die beiden jetzt am Löwenkeller stehenden Löwen, die ehemals ein Thor am alten Zeughaus bewachten und mit geschlossenem Munde dalagen, andere dagegen den Löwen am Veteranendenkmal auf dem Zeughausplatz, das 1848 den badischen Kriegern errichtet wurde. Diesem Löwen aber wurde 1849 muthwilligerweise die Schnauze abgeschlagen. – Auf dem 1610 erbauten, jetzt zerstörten Neckarthor, welches 1684 noch einmal umgebaut wurde, war ein Atlas entblössten Hauptes, der die Erdkugel auf der Schulter trug. Von diesem ging die Volkssage, er werde die Kugel abwerfen und eine Mütze aufsetzen, sobald er das erste Schiff den Neckar herabkommen sehe. – Unter dem Kirchthurm ohne Spitze soll der Thurm der jetzigen Concordienkirche gemeint sein, dessen Grundstein 1708 gelegt wurde und der statt einer Spitze eine abgestumpfte Pyramide als Dach hat. – Der Bürgermeister ohne Witz scheint sich auf keine bestimmte Person zu beziehen, sondern blos des Reims wegen hinzugekommen zu sein, wenigstens ist jetzt eine solche nicht nachweisbar. Der obige Spruch ist indess vom Volkswitz, etwa in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts, in folgender Form auf bestimmte Personen angewandt worden: »Ein Stadtdirector mit Schmerbauch, ein Bürgermeister mit einem Aug' (der Vater des Ministers Jolly), ein Mann ohne Mütz', ein Rathsdiener ohne Spitz'.« Das letztere bezieht sich auf einen Rathsdiener, der um das Jahr 1848 sich die Pudenda abgeschnitten hat. Ich habe über den obigen Spruch und seine Mundform mehrere Nachfragen gethan. Prof. W.A. Fickler meint, dass nach der ganzen Fassung die Form: Ein Brunn' ohne Sprung, ein Löw' ohne Zung', ein Bürgermeister ohne Sitz und ein Rathsthurm ohne Spitz', die ursprüngliche, alle andern nur Accommodationen davon seien. Dann wäre die Zeit der Entstehung zwischen 1689 und 1701, da das jetzige Rathhaus gebaut wurde. In dieser Zeit befand sich der Bürgermeister ohne Sitz, bald in Heidelberg, bald in Weinheim, ein Theil der Bürger in Magdeburg, ein Theil in Neu-Manheim, ein letzter endlich da und dort zerstreut. Auch der alte Rathsbrunnen hatte keinen Sprung, wenn darunter fliessendes Wasser zu verstehen ist. Das alte Rathhaus, an der Stelle des jetzigen, [360] war zerstört, der Thurm also theilweise abgetragen oder abgebrannt. Der Löwe ohne Zunge kann irgendein an einem Thor angebrachter pfälzer Löwe sein, der geschlossenes Maul hatte. Zur Auffindung der richtigen Deutung sind Belege aus ältern Schriften erforderlich, in denen der Spruch vorkommt.


3. Manheim hat sieben Wunder.

Ein Volkswitz, da um das Jahr 1850 (?) sieben Männer dieses Namens dort wohnten.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880.
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