Narrenfest

* Es ist ein wahres Narrenfest.

Ein Fest, wie es heitere Gesellschaften, meist mit dem Zweck, die Thorheiten der Zeit zu verspotten, zu begehen pflegen. Festen dieser Art blieben früher die Kirchen sogar nicht verschlossen. Ein von Priestern und Weltgeistlichen unter lächerlichen Gebräuchen gewählter Narrenbischof wurde mit grossem Pomp in die Kirche geführt. Die Theilnehmer hatten das Gesicht bemalt oder maskirt und waren als Frauenzimmer, Thiere und Possenreisser verkleidet. In den Kirchen, die unmittelbar unter dem Papste standen, wählte man einen Narrenpapst, dem man den päpstlichen Schmuck unter ebenso lächerlichen Gebräuchen anlegte. Der Narrenbischof hielt alsdann einen feierlichen Gottesdienst und sprach parodirend den Segen. Die vermummten Geistlichen begaben sich tanzend und springend nach dem Chor und sangen Zotenlieder. Die Diakone und Subdiakone assen auf dem Altar vor den Augen des messelesenden Priesters Würste, spielten Karte und Würfel, thaten ins Rauchfass statt des Weihrauchs alte Schuhsohlen u.s.w. Nach der Messe lief, sprang, tanzte jedermann nach Belieben in der Kirche herum und erlaubte sich die cynischsten Ausschweifungen. Manche thaten dies sogar vollständig entkleidet. Die Ausschweifungen setzten sich dann in der Stadt fort, durch die man sich auf einem mit Unrath beladenen Wagen fahren liess. Viele weltliche Personen nahmen an dem Feste theil, um unter der Kleidung der Priester, Mönche und Nonnen den Narren zu spielen. Das Narrenfest wurde nicht allein in den Kirchen der Weltgeistlichen, sondern auch in den Mönchs- und Nonnenklöstern gefeiert. Es kamen hier und da die Priester nicht ins Chor, sondern die Laienbrüder nahmen ihre Sitze ein; sie zogen zerrissene priesterliche Kleider, und zwar umgewandt an, und hielten auch die Bücher, in denen sie scheinbar lasen, verkehrt, hatten Brillengestelle auf den Nasen, in denen sie statt der Gläser Pomeranzenschalen befanden, bliesen die Asche aus den Rauchfässern einander ins Gesicht oder streuten sie sich auf die Köpfe, sangen nicht Psalmen, sondern murmelten unverständliche Worte und blökten wie das Vieh. (Vgl. darüber Flögel, Geschichte des Grotesk Komischen, und den Artikel Ostermännchen und Ostergelächter in der Europa, Leipzig 1871, Nr. 15, S. 457.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 936.
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