Narrenseil

1. Das Narrenseil geht um den Erdkreis wie die Sonne.Körte2, 5634.


2. Die am Narrenseil ziehen, kommen selten zu Ehren.Grubb, 895.


*3. Am Narrenseil hängen.Narrenspiegel, 12.

»Wer ohne Mittel will zum Zweck gelangen, der bleibt am Narrenseile hangen.«


*4. Am Narrenseil ziehen.Waldis, IV, 81, 179; Mathesy, I, 155b.

Närrisch handeln. – Kaiser Maximilian pflegte zu sagen: »Jeder Junggesell muss sieben Jahre am Narrenseile ziehen, und so oft von vorn anfangen als er eine Stunde drüber versäumt.« (Flögel, Geschichte der Hofnarren, 2.)


*5. Einen am Narrenseile führen.Eyering, I, 64 u. 401; Eiselein, 487; Körte, 4483; Braun, I, 2957; Masson, 356.

In Würzburg: Een am Narrasäl rum führa. (Sartorius, 174.) »Wer nicht die rechte kunst studirt, der selb jn wol die schellen rürt und würt am narren-seyl gefuert.« (Narrenschiff.) Die Fliegenden Blätter lassen einen Seiler seinem Sohne folgende (sprichwörtliche) Lebensregeln mit auf die Wanderschaft geben: »Weiche nie vom Pfade der Tugend, denn nichts ist so fein gesponnen, es kommt ans Licht der Sonnen, und ein Galgenstrick nimmt selten ein gutes Ende. Wenn dich das Schicksal auch manchmal durchhechelt, verliere nie den Faden deiner Geduld, selbst wenn alle Stricke reissen sollten; aber auch im Glück sei nicht übermüthig und haue niemals über die Schnur. Lass dich nicht am Narrenseile herumführen und sei stets kurz angebunden. Halte dich fern von allen politischen Wirren, dass du nicht in arge Verwickelungen geräthst; denn sei eingedenk, dass du als Seiler stets rückwärts gehen musst. Wenn dich die bösen Buben umgarnen wollen, so folge ihnen nicht, sondern halte sie dir mit einem derben Tauende vom Leibe. Sei auch stets auf Ordnung bedacht, dass alles was du thust, am Schnürchen geht. Nimm meinen Segen mit dem Wunsche, dass dein Lebensfaden sich abspinnen möge ohne Knoten.« (Anekdotenjäger, Nordhausen 1870, Hft. 78, S. 110.) – Ihn äffen, mit vergeblichen Hoffnungen aufziehen, mit leeren Worten hinhalten, sich an ihm belustigen. (Campe, Wb., III, 454a.)

Frz.: Jouer (tromper) quelqu'un. (Kritzinger, 695a.)

Lat.: Falsa spe aliquem producere. (Terenz.) (Philippi, I, 150.)


*6. Einen auffs Narrenseil setzen (ziehen).Rivander, Düringische Chronica, 102.

Frz.: Tourner quelqu'un en ridicule. (Kritzinger, 686a.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 941.
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