Ziel

1. Besser ein klein Ziel, als zu viel.


2. Das Ziel ist unser, so lange wir den Stein in der Hand halten; ist er aus der Hand, gehört das Ziel den Steinen.Altmann VI, 461.


3. Das Ziel nicht erreichen und dabei vorübergehen, ist eins.

Schwed.: Att icke hinna fram till målet, och löpa det samma förbi kommer på ett ut. (Wensell, 8.)


4. Der trifft ein recht vnd erbar zil, wer mit vernunfft kan schweigen stil.

Lat.: Nil melius uere, quam cum ratione tacere. (Loci comm., 183.)


5. Du suchst ein Ziel? Erstreb's! Du suchst ein Leben? Erleb's!

Eine alte Inschrift. (Vgl. In einsamen Stunden. Erbauliches und Beschauliches, 6. Aufl., Berlin 1873, S. 312.)


6. Ein kleines messigs zil nimm lieber dann zuuil.

Mhd.: »Ein ieglîch man hât êren vil der rehte in sîner mâze lebet und über mizzet niht sîn zil« (Winsbeke.) (Zingerle, 182.)

Lat.: Quod nimium est fugito medio gaudere memento. (Loci comm., 120.)


7. Je höher Ziel, so besser Schütz.Eiselein, 658.


8. Je weiter das Ziel, je mehr Abwege.


9. Man muss nicht übers Ziel treten.

»Man tret ja nur nicht übers Ziel und thu in keinem Ding zuviel. Wer dieser Lehr' sich halten kann, der bleibt ein Mann für jedermann.« (Hertz, 63.) Steht als Inschrift.


10. Mit gutem Ziel gewinnt man viel.Chaos, 1088.


11. Trit nit über das zyl.Hauer, K2; Franck, I, 74b; Körte, 7130.

In dem Sinne von: »Vbermachs nit. Haw nit vber die schnur. Lass bei eim beylichen bleiben.« (Franck a.a.O.)

Lat.: Staeram ne transgrediaris. (Franck, I, 74b; Hauer, K2.)


12. Weit vom Ziele hat man Schutz vorm Hiebe.


13. Weit vom Ziele ist sicher vorm Schuss.


14. Wenn man nur an das Ziel der Reise kommt, wenn man auch die Namen der Ortschaften vergessen hat, durch die man gekommen ist.

Lat.: Non refert, qua sed quo. (Sailer, 94, 19.)


15. Wer das Ziel geschwind erreichen will, muss langsam gehen.


16. Wer sich selbst zum Ziele schiesst, kommt sicher hin.


17. Wer wohl erreichen will sein Ziel, der muss zuvor oft leiden viel.

Lat.: Qui cupit optatam cursu contingere metam multa tulit, fecitque puer, sudavit et alsit. (Seybold, 483.)


18. Willst du nicht kommen ans Ziel zu spät, so warte den nicht ab, der nach dir geht, und eile dem nicht nach, der vorausgeht.


19. Ziel und Bolz ist noch beisammen.Simrock, 12109a.


*20. Ans Ziel gelangen.Eiselein, 658.

Die Römer sagten: »Bis zum Kalke kommen«, weil das Ziel oder Ende der Laufbahn wahrscheinlich mit Kalk bezeichnet war. Auch: »Bis zum Händeklatscher«, weil der letzte Act des Stücks gewöhnlich damit endete.

Lat.: Ad calcem pervenire. (Erasm., 5.)


*21. Das Ziel überschreiten.

Ueber die Schranken hinausgehen.

Lat.: Extra oleas. (Seybold, 166.)


*22. Einem das Ziel verrücken.Körte, 7130b.

Seine Absichten vereiteln.


*23. Er hat sich zum Ziel gelegt.Mayer, II, 83.


*24. Ohne Ziel umherschiessen.Eiselein, 658.

Keinen bestimmten Plan oder Vorsatz haben.

Lat.: Nullo scopo jaculari. (Erasm., 417; Seybold, 225.)


*25. Sein Ziel verfehlen.

Engl.: To miss his mark. (Bohn II, 170.)

Lat.: Aberrare a scopo. – Extra scopum jaculare. (Bohn II, 170.) – Non attingere scopum.


[581] *26. Sich zum Ziele legen.Körte, 7130a.

Sich nach eines andern Absicht bequemen, sich gleichsam nach dem Ziele seiner Wünsche fügen.


*27. Sie jagen alle nach Einem Ziel.

Lat.: Una scutica impellit omnes. (Philippi, II, 232.)


*28. Uebers Ziel hinausschiessen.


*29. Ziel und Bolz haben. (Oberösterr.)

Was die Zeit betrifft, just noch zurecht kommen, es sei an einem gewissen Orte oder zu einer gewissen Handlung, That u.s.w. Wol deswegen, weil der Bolz, ist der Ballester einmal abgedrückt, in der kürzesten Frist die Scheibe oder das Ziel erreicht. (Baumgarten.)


[Zusätze und Ergänzungen]

30. Wer über das Ziel hinausschiesst, hat ebenso viel, als der es nicht erreicht.

Frz.: L'archer qui outrepasse le blanc, vault comme celui qui n'y arrive point. (Cahier, 1212.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 581-583,1822.
Lizenz:
Faksimiles:
581 | 582 | 583 | 1822
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon