Weit

1. Der kommt am weitesten, der nicht weiss, wohin er will.

Man sagt, dass diese Redensart der berühmt gewordene Bauernsohn Oliver Cromwell schon in früher Jugend geführt habe. Man kann diesen Spruch weniger paradox so ausdrücken, dass der Mensch in seinen Angelegenheiten nur dann etwas Tüchtiges erreiche, wenn er sich von vornherein die höchste Aufgabe, ein unerreichbares Ideal steckt.


2. Es kommt niemand weiter, als die alten Rosse und die Weibsbilder.


3. Immer weiter, Meister Kienert, seh' er sich nicht um, sonst fällt er vom Thurm. (Stargard.)

Meister Kienert soll ein dortiger Dachdecker gewesen sein.


4. Immer weiter, sagt das Mädchen, enger wird's nicht. (Danzig.) – Frischbier2, 4019; Hoefer, 864.

»Immer wîder, söä' de Deer'n, enger ward se nich.« (Schlingmann, 285.)


5. Je weiter, je theuerer; je theuerer, je lieber.


6. Je wigger van huier, je better Plesauer. (Sauerland.)


7. Man kommt wider mit Gutem, as mit dem Stock. (Rendsburg.)


8. Nicht weit, nicht gross, doch sorgenlos.

Inschrift eines Hauses, in dem Zufriedenheit herrscht.


9. So wît wîer'n wi, säd' de Kröpel, un full up sîn Lier (Violine). (Holst.)


10. So wît wîer'n wi, säd' Kron, dôr lêg he in'n Dîk.Hoefer, 650.


11. Was nicht weit her ist, taugt (gilt) nicht viel.

Die Russen: Der Kalk aus Griechenland wird dem Marmor aus dem Inlande vorgezogen. (Altmann V, 509.)

Engl.: Far fetch'd and dear bought, is good for ladies. (Bohn II, 92.)

Frz.: Vache de loin a lait assez. (Bohn II, 92.)


12. Was weit von dann, das lasst man gahn. Sutor, 425.


13. Weit davon ist die (probateste) passauer Kunst, dass einen keine Kugel trifft.

Lat.: Cum licet fugere, ne quaere litem. (Philippi, I, 102.) – Nil poterit justa tutius esse fuga.


14. Weit davon ist für den Schuss gut.Lehmann, II, 837, 409; Parömiakon, 800; Alsatia, 1862-67, 406; Braun, I, 4019; Lohrengel, I, 735; Masson, 187.

Lat.: Extra telorum jactum. (Seybold, 166.) – Procul a Jove, procul a fulmine. (Gaal, 1704.) – Qui timet ignem, fumum fugiat. (Philippi, II, 140.)

Poln.: Co z daleka, to dobre, tak mniemanie niesie. – Głośny bęben za górą, a kiedy nas przyjdzie, alić jak pudełko. – O dalekich (nieznajomych) rzeczach wspanialsze mnieanie. – Bęben w lesie coś wielkiego, choć jak cebrzyk wielkość jego. – Straszny bęben za górą. (Čelakovsky, 107.)


15. Weit vnd gran fordert der Kürssner von dem Plan, eng vnd dicht fordert jhn gar nicht. Petri, II, 619.


16. Weit vom Geschütz macht alte Kriegsleuth. Lehmann, II, 837, 210.


17. Weit vom Jupiter ist weit vom Blitz. (Altröm.)


18. Weit vom Streit gibt alte Kriegsleut'.

Schwed.: Längt frå faran gjör gamla krijgsmän. (Grubb, 480.)


19. Weit von dannen ist gut für den Schoss.Latendorf II, 28.


20. Weit von den Augen, weit von den Herzen. Winckler, XVII, 84.


21. Weit von einander bringt kein Neid.Petri, II, 619.


22. Weit von seinem Gut ist nahe bei seinem Schaden.Acerra phil.


23. Weiter im Text, seggt de ... sche Pfarr, onn schleit mit dem Zömpel (Penis) op de Kanzel. (Ostpreuss.)

Mit diesem Sprichwort beantwortet man in einigen Gegenden der Provinz Preussen jed Aufforderung, die mit »weiter« beginnt.


[152] 24. Weiter, sagt der Kantor. (Köthen.)

Um zum Fortgehen in der Sache zu veranlassen.

Poln.: Dalisz, dalisz! Aź pod kalisz! (Lipinski, 41.)


25. Wenn er weit ist, brüllt er; wenn er nahe ist, stösst er: das ist die Sitte eines bösen Ochsen. (Finl.)


26. Wenn's weiter nichts ist, sagte die Zottel (Dirne), als sie am Halseisen (Pranger) stand.

Holl.: Is het anders niet, zei Trijn, en zij moest op het schavot te pronk staan. (Harrebomée, II, 244a.)


27. Wer weit will gehen, muss früh aufstehen. Simrock, 11528.


28. Wer weiter will, als sein Pferd kann, der steige ab vnd reise zu Fuss.Petri, II, 778.

Lat.: Perfice iter pedibus, sonipes dum pessus anhelat. (Seybold, 436.)


29. Willst du weit, so fange mit Schritten an.


30. Wît darvan is gôd för'n Schuss, seggt de Has'.Schröder, 583.


*31. Da ist's weit hin; wenn die Klöse da gekocht werden, können wir oft taufen.

In Holstein: Dat 's wiet hen. Von sehr weit entlegenen Orten und Sachen. Die Hindus sagen sprichwörtlich: Delhi ist noch weit entfernt. (Reinsberg VI, 107.)

*32. Du hast so weit zu mir, wie ich zu dir.


*33. Er hät's wit bracht; er fahrt inner e papierne Gutsche im Land 'rum. (Hauenstein im Aargau.) – Schweiz, II, 184, 46.

Bei Bekanntmachung einer Gant (Versteigerung) durch die Zeitungen.


*34. Er (es) ist nicht weit her.Hollenberg, III, 11; Mayer, II, 143; Eiselein, 639; Parömiakon, 799, 986 u. 1829; Dove, 420, 1531 u. 1183; für Franken: Frommann, VI, 426, 419.

Von Personen und Sachen, denen man wenig Werth zuschreibt. Die Redensart beruht auf der irrigen Anschauung, dass das Fremde, aus der Ferne Herbeigeholte besser als das Heimische sei. Selbst das Geld lässt sich nach Becher's (Polit. Discours, S. 146) besser mit einer französischen Karte verspielen.

It.: Loda il mare e tienti alla terra. (Gaal, 1704.)

Lat.: Omne peregrinum pro magnifico est. (Curtius.) (Kornmann V, 54.)


*35. Er ist so weit davon, als Mako von Jerusalem. (Ung.)

Der Trunkenbold Makó, Begleiter des Königs Andreas II., begrüsste die Stadt Spalatro in Dalmatien als das ersehnte Jerusalem.

*36. Es ist so weit hin wie her.Lohrengel, II, 269.

Es ist so lang wie breit.


*37. Huja, weiter, sonst erwischen uns die Schnecken. (Rott-Thal.)


*38. Nicht weiter sehen, wie die Nase geht.Philippi, I, 213.


*39. Nu öss et so wît, wie de Mütterke säd. (Stallupönen.) – Frischbier2, 4018.

Wenn sich ein Mädchen hat verführen lassen; auch wol, wenn ein Unfall eingetreten ist, den ein Weitersehender befürchtet hat.


*40. Nun weiter im Text.Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 147; Klix, 122.


*41. So weit, als man ein weiss Pferd gesehen mag.Theatr. Diabolorum, 462a.


*42. So weit wie ein Mönchsärmel.

Holl.: Ruimer dan eene monniksmouw. (Harrebomée, II, 106b.)


*43. So wît gahn unse Göse nich.Hauskalender, II.


*44. Waitt ond praitt.Hätzlerin, I, 28, 188.


*45. Weit wie ein Bettelsack.Gutzkow, Ritter vom Geist, IV, 260.


*46. Weiter um 'e Haus. (Schwaben.)

D.h. weiter in der Sache.


*47. Wit un sid.Eichwald, 1066.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 152-153.
Lizenz:
Faksimiles:
152 | 153
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon