Sich

[77] Sich, das zurück kehrende Fürwort der dritten Person, welches nur in der dritten und vierten Endung vorhanden ist, und in denselben sowohl in allen Geschlechtern, als auch im Singular und Plural unverändert bleibt. Es wird gebraucht, wenn von der dritten Person oder Sache eine Handlung gesagt wird, die diese dritte Person oder Sache nicht nur selbst thut, sondern die auch dabey auf sie selbst zurück gehet. Er hat es sich selbst zu danken. Sie schreibt sich alles selbst zu. Schämet ihr euch denn nicht? Sie hat endlich ihr ja von sich gegeben. Große Seelen halten sich an den Himmel fest, und lassen die Erde unter sich fortrollen, Dusch. Mein Herz erweitert sich von einem frohen Stolze, eben ders. Da ihm denn oft des Nachdrucks willen noch das selbst zugesellet wird. Sind sie denn nicht bey sich selbst.

Wenn sich der Plural ist, und eine Handlung angedeutet wird, die nicht bloß von jedem Dinge unter den mehrern auf sich selbst, sondern auch auf die andern zurückkehret, so kann dafür auch einander gesetzet werden. Sie lieben sich wie Kinder, oder einander. Gleiche und einander (oder sich) entgegen gesetzte Kräfte heben sich (oder einander) auf. Sie sind sich alle gleich, oder sie sind alle einander gleich. Herzen die sich für einander geschaffen fühlen; wo die Wiederhohlung des sich einen Übelklang verursachen würde. Welches aber nicht statt findet, wenn die Handlung nur auf jedes der mehrern allein zurückkehret. Sie schämen sich, nicht einander.[77]

In den andern Personen hat man keine eigenen Reciproca, sondern die persönlichen Fürwörter vertreten ihre Stelle. Du liebest dich, ich schäme mich dessen nicht. Im Oberdeutschen gebraucht man auch in der dritten Person für sich häufig die persönlichen Fürwörter er, sie, es, welches auch Luther einige Mahl nachgeahmet hat. Unser keiner lebt ihm selber, unser keiner stirbt ihm selber. Er gedacht ihm, für bey sich, Theuerd.


Sieht man den Tod für ihm, der Hochmuth legt sich wohl,

Opitz.


Weil ein jeder ihm fast mehr oder weniger zutraut, als er eigentlich im Vermögen hat,

Opitz.


Ein andrer läßt ihm nicht an einer Welt begnügen,

Günth.


Im Hochdeutschen pflegt man oft die Verba reciproca unpersönlich zu gebrauchen. Hier sitzt sichs nicht gut, für man sitzt hier nicht gut, oder hier ist nicht gut sitzen. Bey einem leeren Magen kann sichs unmöglich zärtlich lieben. Welches denn in den Oberdeutschen Kanzelleyen so weit als möglich getrieben wird. Dagegen ist mit dürren Worten sich erkläret worden, für man hat sich u.s.f.

Anm. Schon bey den ältesten Oberdeutschen Shriftstellern sich, bey dem Ulphil. sik, und mit einem andern Endlaute sis, im Schwed. sig, bey den Krainer. Wenden sebi.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 77-78.
Lizenz:
Faksimiles:
77 | 78
Kategorien: