Vermögen

[1095] Vermögen, verb. irregul. act. S. Mögen, welches in verschiedenen nahe verwandten Bedeutungen gebraucht wird. 1. Ausrichten, bewerkstelligen können. Viel an Macht, am Verstande, an Gelehrsamkeit vermögen, eine veraltete Wortfügung, wofür man lieber sagt, viel Macht u.s.f. besitzen. Du Gott vermagst alles, was du willst, Weish. 12, 18. Geld vermag viel, kann viel ausrichten. Viel bey jemanden vermögen, viel bey ihm ausrichten können. Der Eigennutz vermag nichts bey ihm. Alle Vorstellungen vermogten nichts bey ihr. Feinde haben, welche viel bey Hofe vermögen. So auch im Mittelworte der gegenwärtigen Zeit. Ein viel vermögender Freund, welcher viel vermag. 2. In weiterer Bedeutung, Kraft, Fähigkeit haben, eine gewisse Veränderung hervor zu bringen, für können. Wir[1095] vermögen nicht, hinauf zu ziehen, 4 Mos. 13, 32. Er vermag euch nicht (zu) erretten, 2 Könige 18, 29. Sie vermochten nicht widerzustehen (zu widerstehen) der Weisheit, Apost. 6, 10. In diesem Verstande gebraucht man es im Hochdeutschen nur noch in der edlern und höhern Schreibart, für das gesellschaftlichere können. Vermochte der Nahme Romeo nicht die jähe Flamme zu löschen? Weiße. Häufiger gebraucht man das Mittelwort vermögend, als ein Nebenwort mit dem Zeitworte seyn, im Gegensatze des unvermögend. Ich bin nicht vermögend mehr zu essen, länger zu gehen u.s.f. Er war vor Freude nicht vermögend, ein Wort hervor zu bringen. Bist du vermögend in einer Stunde eine Meile zu gehen? Indessen ist es mit der Verneinung im Hochdeutschen am üblichsten. 3. In einigen engern Bedeutungen. (1) An zeitlichem Vermögen besitzen. Vermag er nicht ein Schaf zu geben, 3 Mos. 5, 7. Was vermag er? wie groß ist sein Vermögen? Es wird im Hochdeutschen in dieser Bedeutung wenig mehr gebraucht, außer daß man in derselben noch das Mittelwort vermögend, als ein Bey, und Nebenwort hat. Vermögend seyn, ein gutes Vermögen besitzen. Ein vermögender Mann. Der Gegensatz ist unvermögend. Vermögend ist weniger, als reich, und ungefähr so viel, als wohlhabend, so viel zeitliches Vermögen besitzend, als nicht nur zur Nothdurft, sondern auch zur Bequemlichkeit gehöret, so viel, daß man etwas damit vermag, ausrichten kann. (2) Jemanden zu etwas vermögen, ihn durch Vorstellungen, sie seyn, von welcher Art sie wollen, dazu bewegen. Man hat mich dazu vermocht, ich ward dazu vermocht.

Ver scheint hier eine bloße Intension zu bezeichnen. Von der Abstammung, Conjugation und Rechtschreibung dieses Wortes S. Mögen und Macht.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1095-1096.
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