Mainz

[31] Mainz, die Haupt- und Residenzstadt des eben angeführten Erzstifts, liegt am Rhein, welcher dicht vor der Stadt den Main aufnimmt, und ist eine der ersten Festungen mit ungeheuern Festungswerken, und der Sitz eines Domkapitels und einer Universität. Die Anzahl der Einwohner betrug i. J. 1784 mit der Besatzung nahe an 30,000 Menschen. Den nördlichen Theil ausgenommen, wo die Residenz des Churfürsten oder die so genannte Martinsburg liegt, und welcher den neusten Theil der Stadt ausmacht, sind die Gassen finster und enge. Die dasige Domkirche auf dem Markte mitten in der Stadt ist vielleicht die größte Kirche in Deutschland; sie hat einen überaus großen Schatz und viele merkwürdige Grabmähler und Monumente. Besonders merkwürdig ist das Monument des Drusus nahe am Wall. Dem Einflusse des Mains gegenüber liegt das churfürstliche Lusthaus Favorite mit vortrefflichen Garten. Auch ist die 2100 Schritte lange Schiffbrücke zu bemerken, die auf 56 Fahrzeugen ruht, und über den Rhein nach den gegenüber am rechten Rheinufer liegenden erzstiftischen[31] Städtchen Cassel führt. Fabriken giebt es wenig daselbst. Von dem hiesigen Handel ist im vorigen Artikel gesprochen worden. Eins der schönsten Vergnügen, das man in Mainz genießen kann, ist ohne Zweifel die Rheinfahrt. Uebrigens verbreitet sich die Aufklärung hier sehr; und Mainz hatte vor dem gegenwärtigen Kriege eine der besten Lesegesellschaften in Deutschland. Von dem Einfluß dieses Krieges auf die Mainzer s. den folgenden Artikel: die Mainzer Clubisten; hier will ich nur überhaupt anführen: Cüstine, welcher den Werth, den Mainz für die Franzosen, sowohl als Festung als auch in Rücksicht auf seine Schifffahrt, haben mußte, wohl kannte, erschien nach der Ueberrumpelung von Speier und der Besetzung von Worms nun auch vor Mainz, und nahm, theils schmeichelnd theils drohend, diesen wichtigen Ort (den der churfürstliche Major vom Geniewesen Eikenmaier commandirte, welcher sogleich als Oberster in Fränkische Dienste trat) den 21. October 1792 durch Capitulation ein. Er hatte indeß versäumt sich Meister von Coblenz zu machen; und so hatten die Preußen noch in diesem Jahre bei Coblenz über den Rhein gesetzt, und in Vereinigung mit den Hessen die Franken aus Frankfurt getrieben und am rechten Rheinufer bis nach Cassel und Mainz zurückgedrängt. Im folgenden Jahre 1793 war ihr Hauptaugenmerk auf die Wiedereroberung von Mainz gerichtet. Cüstine hatte sich vorzüglich fest in dem vorhin erwähnten Cassel gesetzt und diesen Ort stark befestigt. Als aber die Preußen nach der Schlacht bei Neerwinden (den 18. März 1793, s. diesen Art.) durch mehrere Manöuvres Cüstinen, der seit der Eroberung von Mainz das ganze linke Rheinufer von Landau bis über Bingen hinaus inne hatte, mit der Fränkischen Armee bei Kreuznach stand, in eine sehr gefährliche Lage setzten, so zog sich dieser eilig mit seinem Heere nach Landau. Die Besatzung von Mainz bestand jetzt in 23,000 Mann, welche, da die Preußen Mainz auf beiden Rheinufern blockirten, ohne die Aussicht eines Entsatzes eingeschlossen waren. Die Besatzung hatte indeß hinlänglichen Vorrath an Proviant und Munition, und die Festungswerke waren in dem besten Zustande; sie unternahm häufige und zum [32] Theil äußerst kühne Ausfälle. Die Belagerer zögerten indeß mit dem Bombardement bis zum 18. Juli, an welchem Tage dasselbe mit Tagesanbruch anfing; und während sich die Generale Beauharnois und Houchard mit ihren Armeen in die größte Bewegung setzten, um Mainz, es koste was es wolle, zu entsetzen, übergab der Fränkische Commandant dʼOyreʼ den 22. Juli Mainz durch Capitulation an den Preußischen General Kalkreuth. DʼOyreʼ hat ein eignes Memoire über die Uebergabe von Mainz herausgegeben, welche in Frankreich für die Folge einer von Cüstine herrührenden Verrätherei angesehen wurde. – In der Mitte des J. 1795 schien der Fall von Mainz an die Franzosen von neuen unvermeidlich zu sein; diese hielten es von beiden Rheinufern blockirt, und man sah täglich der Belagerung entgegen: allein es wurde schon den 13. Oct. vermittelst eines geschickten Manöuvers des Feldmarschall Clerfaye auf dem rechten Rheinufer entsetzt, und dann durch die Ueberwältigung der Französischen Linien vor Mainz durch denselben General (d. 29. Oct.) auch auf dem linken Rheinufer befreit. – – Endlich wurde Mainz, am 30. Dec. 1797, nach geschehener Aufforderung durch den General Hatry, mit welchem eiligst eine Capitulation abgeschlossen werden mußte, von den Franzosen besetzt, deren Republik es wahrscheinlich, nebst dem linken Rheinufer, einverleibt wird.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 31-33.
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