Die Grafen von Reuß

[255] Die Grafen von Reuß. Die Abstammung dieses bekannten Hauses ist ungewiß, so viel aber denn doch historisch bewiesen, daß schon im zwölften Jahrhunderte ihre Vorfahren als Vögte des Reichs das von ihnen so benannte Vogtland besessen haben. Ihr Name Reuß wird am wahrscheinlichsten von Heinrich dem Jüngern, der Reuse (Ruse, Ruzzo) genannt, als dem Stifter der zweiten oder Plauischen Linie, hergeleitet. Alle männliche Personen dieses Hauses – das sich übrigens bis in die Hälfte des 17. Jahrhunderts bloß Reussen, Herren von Plauen genannt, von da an aber wieder den gräflichen Namen angenommen hat – führen seit dem 11. Jahrhundert den Namen Heinrich, und sonst keinen andern; daher sie sich auch bloß durch Zahlen von einander unterscheiden.

Die Grafen von Reuß sind Stände des Deutschen Reichs, und haben als solche auf dem Reichstage im Fürstenrathe in dem Wetterauischen Grafen-Collegio Sitz und Stimme, mithin nehmen sie an den Reichsverhandlungen unmittelbaren Antheil; und da ihre sämmtlichen Besitzungen zum Voigtlande gehören, so sind sie auch zugleich Glieder des Obersächsischen Kreises, und haben das Recht, allen Versammlungen dieses Kreises beiwohnen zu dürfen. – Es theilen sich aber die Grafen und Herren von Reuß in zwei Linien, nehmlich in die ältere und jüngere. Zur ältern Linie gehört Graiz allein; die jüngere aber befaßt die übrigen vier Häuser, nehmlich Gera, Schlaiz, Lobenstein und Köstriz. Ob nun gleich unter diesen Häusern in den neuern Zeiten Graiz und Lobenstein die Fürsten-Würde erhalten haben, so macht doch diese Standeserhöhung in Ansehung ihrer Besitzungen und des davon abhängigen Stimmenrechts bei Reichs, und Kreisversammlungen keine Veränderung; sie sind Fürsten für ihre Personen, aber nicht für ihre Besitzungen. Von den Reußischen Besitzungen sind die Städte Gera, Schlaiz, Graiz und Zeilenrode, davon die beiden letzten der ältern Linie gehören, wegen der vielen daselbst befindlichen Zeugfabriken im Auslande berühmt, indem von diesen Fabrikwaaren [255] jährlich eine große Quantität von dorther gezogen wird.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 255-256.
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