Peter Paul Rubens

[346] Peter Paul Rubens. Dieses große Künstlergenie stammte ursprünglich aus einer angesehenen Familie in Antwerpen, wurde aber 1577 zu Cöln geboren,[346] wohin sich sein Vater, Doctor der Rechte und Syndicus zu Antwerpen, wegen der Unruhen in den Niederlanden gewendet hatte. Schon in den ersten Kinderjahren zeigte er einen außerordentlichen Hang zum Copiren; um diese Neigung zu befriedigen, erhielt er den bekannten Mahler Adam van Oort, und nachher Otto van Voen zu Lehrern, wo sein Genie mit dem glücklichsten Erfolge sich entwickelte. Im 23. Jahre kam er nach Italien, und bald in die Dienste des Herzogs von Mantua, wo er Gelegenheit hatte, die Werke des Julius Romanus zu studiren. Während seines hiesigen sechsjährigen Aufenthalts mußte er auch unter andern eine Reise nach Spanien machen, die ihm die Meisterstücke eines Tizians und andrer großen Meister zu bewundern Gelegenheit verschaffte; auch Rom, Genua etc. besuchte er und vervollkommnete sich immer noch mehr. Nach siebenjährigem Aufenthalt verließ er endlich Italien, um in Flandern seine kranke Mutter zu besuchen. Allein da diese bei seiner Ankunft schon todt war, so zog er sich in die Abtei von St. Michel zurück, und studirte hier die Geschichte der alten Dichter, wobei ihm seine in Italien erlangten Studien trefflich zu statten kamen. Vom Erzherzog Albert an Hof berufen, wählte er nun für immer Antwerpen zu seinem Aufenthalt, wo er auch bald durch Liebe und Heirath noch mehr gefesselt wurde. Auch nach Frankreich, wohin sein Ruf schon gedrungen war, mußte er (1620) kommen, um für die Königin Maria von Medicis die Gallerie ihres Palastes zu mahlen – eines seiner wichtigsten Werke, aus 24 Gemählden (nehmlich 21 historischen und 3 Bildnissen) bestehend, die er aber zu Antwerpen fertigte, und dann 1625 nach Paris überbrachte. – Aber nicht bloß als Künstler, auch als Staatsmann sollte er seine Geschicklichkeit erproben: er mußte als Gesandter nach England gehen, um zwischen dieser Krone und Spanien den Frieden zu Stande zu bringen, das ihm denn auch 1630 wirklich gelang. Mit außerordentlichen Geschenken von beiden Höfen überhäuft, wurde er überdieß auch noch vom König von Spanien, Philipp IV. zum Ritter und Seeretair des Staatsraths in den Niederlanden ernannt. – Er starb 1640 im 63. Jahre seines Alters, nachdem er sich zweimahl verheirathet hatte. Rubens war unstreitig einer der ersten [347] Künstler. Sein feuriges Genie, die Erhabenheit seiner Gedanken, der Reichthum seiner Zusammensetzungen, das unvergleichliche Colorit, die Einfachheit in den Stellungen, Lebhaftigkeit in den Zügen, Leichtigkeit in der Behandlung, die schönen Gewänder, sein frisches Fleisch, die herrlichen Gruppirungen – alles vereinigte sich, um ihm den hohen Ruf zu sichern, um ihm sogar den Namen des Flandrischen Raphaelʼs zu verschaffen. Er folgte der Natur noch mehr als der Antike, und brachte daher, überzeugt, daß die Abwechslung der Natur ins Unendliche gehe, so wie diese die unerschöpflichste Mannigfaltigkeit hervor. – Kenner vermissen bloß hier und da eine richtigere Zeichnung und einen bessern Geschmack in derselben Allerdings mochte der Geschmack seines Vaterlandes ihm zu sehr anhängen; und trotz aller Mühe, die er sich gab, konnte er ihn doch nie ganz ablegen. Ohne diese Fehler hätte er aber auch gewiß die Kunst auf den höchsten Gipfel der Vollkommenheit gebracht. – Daß er außer seiner Kunst auch noch ausgebreitete Kenntnisse besaß, haben wir schon bei Erwähnung seines Posten als Gesandter in England gesehen; seine Gelehrsamkeit hatte er überdieß in einigen Abhandlungen von der Mahlerei, die in einem sehr guten Latein abgefaßt waren, gezeigt. Seine Kenntniß der Geschichte und der Poeten kam ihm trefflich zu statten; daher jener Ueberfluß an Gedanken, jener Reichthum in Erfindungen, daher seine kunstmäßige und allegorische Einkleidung der Geschichte. – Rubens zeigte sich im übrigen eben sowohl durch sein offnes als durch sein höfliches und gefälliges Betragen auch als Mensch sehr liebenswürdig. Er war vermögend und besaß eine der schönsten Sammlungen von Kunstwerken, die er höchst ungern an den Herzog von Buckingham für die Summe von 30,000 Rthlr. überlassen mußte. In den Niederlanden giebt es wenig Kirchen und angesehene Privathäuser, die nicht etwas von Rubens Hand aufzuweisen hätten; und wie fleißig er überhaupt trotz dem, daß er ein Staatsamt bekleidete, gearbeitet hat, läßt sich aus der großen Menge von Werken schließen, die man von ihm besitzt. Nach ihm gestochne Kupferstiche giebt es eine außerordentliche Menge; man zählt ihrer über 600 Stück.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 346-348.
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