Blausucht

[261] Blausucht, blaue Krankheit, ein zum Glück seltenes Übel, das seinen Namen von der damit verbundenen, mehr oder weniger blauen Hautfarbe des ganzen Körpers, vorzüglich aber der mit feiner Oberhaut versehenen Theile, und seinen Grund in fehlerhafter Beschaffenheit des Herzens oder der großen Blutgefäße hat. Entweder ist nämlich das sogenannte eirunde Loch, eine bei Ungeborenen naturgemäße Öffnung in der Scheidewand des Herzens, widernatürlich nach der Geburt offen geblieben und dadurch eine regelwidrige [261] Verbindung der Vorkammern des Herzens entstanden, oder jene Scheidewand wurde durch Krankheit theilweise zerstört, oder der sogenannte Botallische Gang, ein Verbindungskanal zwischen der Lungen- und der großen Schlagader, welcher ebenfalls nur an Ungeborenen regelrecht offen ist, hat sich nach der Geburt nicht geschlossen. In allen diesen Fällen, wovon der erste am häufigsten vorkommt, findet fortwährend Vermischung des schwarzen Blutes mit dem rothen statt und es entsteht nicht nur Unregelmäßigkeit im Umlaufe des Blutes (s.d.), sondern auch eine fehlerhafte Mischung der gesammten Blutmasse. Die Folgen von beiden sind mannichfache Brustbeschwerden, mangelhafte Ernährung, allgemeine Schwäche und jene blaue Hautfarbe. Mit der Blausucht behaftete Menschen überleben selten den Eintritt der Mannbarkeit und sind zu jeder körperlichen Anstrengung unfähig. Sie leiden nämlich entweder an beständiger Athembeschwerde oder kommen doch sehr leicht außer Athem und sind überhaupt von schwächlichem Körperbau, kraftlos und zu Blutungen geneigt. Sie haben meist fortwährend kalte Füße und Hände und färben sich bei jeder Körper- oder Gemüthsaufregung noch dunkler, als sie ohnehin schon sind. Da keine ärztliche Kunst die Grundursachen des Übels zu heben vermag, so muß sie sich auf Minderung der krankhaften Zufälle beschränken. Vermeidung aller anstrengenden Bewegung, sowie aller geistigen Getränke, unter manchen Umständen beruhigende Arzneien, selbst kleine Blutentleerungen sind noch am meisten geeignet, das stets bedrohte Leben zu fristen. Blaue Färbung der Haut kommt auch bei vielen andern Krankheiten vor, ist aber niemals so anhaltend und allgemein, wie bei Blausüchtigen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 261-262.
Lizenz:
Faksimiles:
261 | 262
Kategorien: