Extersteine

[712] Extersteine heißen mehre ausgezeichnet schroffe und abgesondert sich darstellende Felsenmassen im Fürstenthum Lippe, nahe bei der kleinen Stadt Horn und zwei Stunden von der Residenzstadt Detmold in dem lippischen Walde und der die Egge genannten Gebirgskette, wo die röm. Legionen unter Varus durch Herman (s.d.) besiegt wurden. Sie bestehen aus Sandstein und sondern sich in fünf Klippen, deren größte vom Fuße an 125 F. hoch ist. Die Öffnung zwischen dem dritten und vierten Felsen bildet ein natürliches Thor und auf dem Gipfel des vierten ruht ein loses Felsstück, das schon vor 200 Jahren bei heftigem Winde schwankte, aber gleichwol bis heute seinen Platz behauptet hat. Den Namen dieser Felsen leitete man früher meist von den Elstern, plattdeutsch Exstern, her, welche auf denselben gehaust haben sollen. Richtiger scheint jedoch die spätere von Eggesterstein, indem das uralte niederdeutsche Wort Egge in seiner allgemeinsten Bedeutung Alles, was spitzig, eckig, scharfkantig, schneidend ist, bezeichnet und daher auch mehren Spitzen des lippischen Waldes beigelegt wird. Vielfältig ist versucht worden, diese Felsen mit dem heidnischen Cultus der alten Deutschen in Verbindung zu bringen oder wenigstens zu beweisen, daß sie eine Wahlstatt oder Gerichtsstätte der alten Sachsen gewesen wären. Alle diese Behauptungen aber gehören in das Gebiet der Vermuthungen und Sagen und die erste zuverlässige Nachricht darüber gibt eine Urkunde des Bischofs Heinrich von Paderborn vom Jahre 1093, der zufolge der Eggesterstein von einer edlen Familie an das später Abdinghof genannte paderbornsche Kloster verkauft wurde, welches daraus einen einträglichen Wallfahrtsort zu machen suchte und verschiedene Einrichtungen [712] traf, die zur Übung christlicher Andacht nöthig waren, und die in den Felsen ausgehauenen, wahrscheinlich als Kapellen benutzten Höhlen und Kunstdenkmäler dürften deshalb über diese Zeit nicht hinausreichen.

In dem größten Felsen befindet sich nämlich eine 36 F. lange, 11 F. breite und 8 bis 9 F. hohe Grotte mit zwei Eingängen und neben dem größern öffnet sich noch eine andere 15 F. lange, 7 F. breite und etwas über 6 F. hohe Höhlung. Vermuthlich wurde aber der Hauptgottesdienst am Eggesterstein unter freiem Himmel auf dem offenen Platze vor demselben gehalten. Zu dem Ende war zwischen den beiden Eingängen der Grotte, gleichsam als ein großes Altarstück, die symbolische Darstellung des Sündenfalls der Menschen und der Erlösung durch den Weltheiland, an dem Felsen in mehr als halberhabener Arbeit ausgehauen. Nicht weit vom Eingange in die kleine Grotte steht in einer Art von Blende, auch in halberhabener Arbeit, der Apostel Petrus, in der Rechten einen gewaltigen Schlüssel haltend und mit der Linken auf ein mit der Spitze gegen den Boden gekehrtes Schwert gestützt. Gleich unter dem ersten Felsen des Eggestersteines findet sich eine in einem halben Bogen in den Felsen, unter dem Rasen hineingearbeitete Öffnung, welche das heilige Grab vorstellen soll, und nicht weit davon ist in einer beträchtlichen Höhe, zu welcher man nur mittels einer langen Leiter hinauskommen kann, eine hufeisenförmige Öffnung eingehauen, hinter welcher sich eine 6 F. tiefe Höhle findet. Der zweite Felsen zeichnet sich auch durch eine unter seinem hohen Gipfel eingehauene Kapelle aus und in dem überraschend hellen und freundlichen Raume derselben gewahrt man bereits das Werk gefälliger architektonischer Kunst. Durch ausgehauene Treppen und Brücken sind die Felsen zugänglich gemacht und gewähren eine schöne Aussicht in ein weites und heiteres, von Bergen begrenztes Thal.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 712-713.
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