Gastmähler

[148] Gastmähler gehörten von jeher zu den Lieblingsvergnügungen geselliger Menschen und finden sich selbst bei den uncultivirtesten Völkern. Die Art und Weise, wie sie bei den verschiedenen Völkern gehalten werden, gibt einen Beweis ab von der Culturstufe, auf welcher dieselben stehen und von ihrem Charakter. Den irdischen Genuß zu vergeistigen, das Mahl durch freundschaftliches Gespräch, durch Gesang, Musik, wol auch durch den Anblick künstlerischer Darstellungen zu würzen, sind die Zwecke, welche Gastmähler erfüllen sollen. Die griech. Mahle zeichneten sich durch Heiterkeit und reizende Anordnung aus, die röm. in der frühern Zeit durch Einfachheit, in der spätern durch Verschwendung und eine Üppigkeit, von der man jetzt fast keinen Begriff mehr hat. Die Griechen schmückten bei ihren Gastmählern Haupt und Becher, sowie den Saal mit Blumen, namentlich mit Rosen; Gesang und heitere Gespräche, oft über die höchsten geistigen Interessen, gingen von Mund zu Munde. Bei den Römern kamen die üppigen Gastmähler auf, als durch die großen Eroberungen in Asien ungeheure Schätze sich bei ihnen, namentlich in ihrer Hauptstadt, häuften. Vergebens suchte man durch Gesetze der einreißenden Schwelgerei zu steuern. Alle Provinzen mußten Leckerbissen nach Rom schicken. Seefische, Pfauen und dgl. waren beliebte Speisen, daneben kamen aber auch Gerichte vor, denen nur die Kostbarkeit Werth gab. Für ungeheuere Summen kaufte man Singvögel, um sie wie Schnepfen aufzusetzen, bereitete Speisen aus Nachtigallenzungen, löste kostbare Perlen in Wein auf und dgl. Anfangs trank man in Rom nur ital. Weine, die mit Wasser verdünnt wurden, und die griech. Weine wurden auf den Tischen der Reichen nur gekostet; später führte man diese in solcher Menge ein, daß sie selbst an das Volk ausgetheilt wurden. Um sie noch köstlicher zu machen, mischte man sie mit wohlriechenden Essenzen. Ein altes Gesetz verbot den Frauen bei Todesstrafe, Wein zu trinken, aber Niemand achtete desselben, und auch die griech. Sitte, die Frauen zu den ausschweifenden Gastmählern nicht zuzulassen, hielten die Römer nicht. Das Gastmahl bestand aus drei Abtheilungen, dem Voressen, bei welchem nur Speisen gereicht wurden, die den Appetit reizten, dem Hauptessen, welches aus vielen Gängen bestand, und der Nachkost von Früchten und Honiggebackenem. Bei der Mahlzeit lag man auf Polstern um Tische herum. Gewöhnlich waren drei Polster um einen Tisch, und auf jedem Polster lagen drei oder vier Personen. Die geladenen Gäste brachten häufig noch ungeladene Begleiter (Schatten genannt) mit, und überdies fanden sich auch noch Schmarotzer (Parasiten) ein, welche durch Späße sich angenehm zu machen suchten. Vor[148] der Mahlzeit wusch man sich, legte die Fußbekleidung ab und zog ein eignes Gewand an. Für die Besorgung der Tafel und die Zerlegung der Speisen waren eigne Diener angestellt und damit das Trinken regelmäßig gepflegt werde, wurde ein eigner Vorsteher des Trinkens erwählt. Dieser bestimmte die Gesetze des Trinkens und die Toaste. Das Speisezimmer war mit Blumen bestreut, auch die Gäste bekränzten sich und wohlriechende Essenzen wurden durch Röhren überall hin verbreitet und die Gäste damit besprengt. Tänzer, Gladiatoren, Possenreißer, Sänger ergötzten während des Mahles durch ihre Künste. So ausgelassen die Gastmähler der Alten auch waren, so war doch ihre Anordnung stets durch den Schönheitssinn geregelt. Mit dem Untergange des Römerthums verschwand dieser und die Gastmahle der über Europa einbrechenden ungebildeten Völker zeichneten sich nur durch Völlerei aus. Große Massen von Speisen und unmäßiges Trinken waren die Hauptsache. Diesen Charakter behielten die Gastmähler auch im Mittelalter und erst mit der zuerst am franz. Hofe aufkommenden Verfeinerung der Sitten kam wieder Zierlichkeit in die gemeinsamen Mahle. Die mohammedanischen Völker enthalten sich des Weins und sind daher in Bezug auf das Trinken mäßig, desto unmäßiger aber auch in jeder ihnen erlaubten Befriedigung der Sinnlichkeit. Die Chinesen zeichnen sich bei ihren Gastmählern durch die unglaubliche Menge und Mannichfaltigkeit der Speisen aus, aber ihr pedantisches Wesen läßt sie zu keiner wahren Heiterkeit kommen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 148-149.
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