Hölle

[406] Hölle ist ein aus Höhle gebildetes Wort und bezeichnet im Allgemeinen einen dunkeln, verborgenen Ort, so z.B. [406] nennen die Landleute in vielen Gegenden Hölle den Raum zwischen dem Ofen und der nächsten Wand; auch hat man früher wol Hölle und Grab gleichbedeutend gebraucht. Genauer stellte man sich aber unter Hölle den Ort vor, an dem sich die Seelen der (des Lichts beraubten) Todten versammelten, und bald setzte man mit dieser Vorstellung auch die in Verbindung, daß die Verstorbenen Lohn oder Strafe für ihre Thaten empfangen müßten. Nachdem sich besonders durch das Christenthum die Vorstellungen über den Zustand des Menschen nach dem Tode geläutert hatten, sah man ein, daß der tugendhafte und der Gnade Gottes theilhafte Mensch Gott näher treten, der Böse dagegen weiter von ihm entfernt werden müsse, und man stellte daher Himmel und Hölle, jenen als den Ort der Seligen, diese als den Ort der Verdammten einander entgegen. In der Hölle befinden sich hiernach auch die von Gott abgefallenen und von ihm verdammten Engel, die Teufel, und eben das Zusammensein mit diesen macht die größte Strafe der Gottlosen aus. Die Phantasie hat sich erschöpft, Bilder des Schreckens und Entsetzens in der Hölle aufzustellen, von dem ewigen Feuer geredet, in dem die Verurtheilten brennen und von den Qualen, mit denen die Teufel sie ängstigen. Die Theologen haben sich gestritten, ob die Höllenstrafen ewig oder nur zeitlich seien, doch hat sich die Kirche stets für die Ewigkeit der Höllenstrafen erklärt, indem man annahm, daß dieselben erst nach dem Urtheilsspruch der Gottheit selbst einträten, eine Abänderung solches Urtheils aber gegen die göttliche Würde sei. In neuerer Zeit hat man die veralteten Vorstellungen mehr oder weniger verlassen, nimmt aber in Wahrheit nichtsdestoweniger Dasselbe an, was durch die Hölle und die ewige Höllenstrafe angedeutet wurde, wenn man die Überzeugung ausspricht: daß der böse und sündige Mensch immer weiter von Gott sich entferne, immer tiefer daher in einen Zustand der Unseligkeit versinke, und wenn er sein Herz so gegen die Reue verhärtet hat, daß ihm eine Rückkehr zu Gott unmöglich ist, er auch aus jenem Zustande der Unseligkeit nicht errettet werden könne. – Wenn es von Christus heißt, er sei »niedergefahren zur Hölle«, so bezeichneten die ältesten Kirchenlehrer damit nur, daß er in Tod und Grab eingegangen sei, wie solches die h. Schrift lehrte. Später erst bildete sich das Dogma von der Höllenfahrt Christi aus, nach welchem er, während sein Leichnam im Grabe ruhte, in die Hölle herabgestiegen, über die verdammten Geister, deren Macht er durch seinen Opfertod gebrochen, triumphirt und die Verdammten von ihrer Schuld überführt haben, oder den Verstorbenen das Evangelium und damit die Errettung aus der Hand des Todes verkündet haben soll.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 406-407.
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