Kauf und Verkauf

[588] Kauf und Verkauf (lat. emtio, venditio) nennt man einen Vertrag, durch welchen Jemand eine bestimmte Sache oder irgend ein Vermögensrecht gegen einen gewissen Preis einem Andern zu übertragen oder einzuräumen verspricht. Dieses Rechtsgeschäft gehört nach römischem Rechte (welches dabei noch heutiges Tags, sofern nicht einzelne Landesgesetze etwas Anderes festsetzen, in Deutschland als das gemeingültige zur Anwendung kommt) zu den Consensualcontracten, weil es schon durch die bloße gegenseitige Zustimmung beider Theile begründet oder, wie der Jurist sagt, perfect wird. Alle Sachen, welche überhaupt im Verkehr und der Disposition des Verkäufers unterworfen sind, können auch Gegenstand dieses Vertrags sein. Selbst zukünftige Sachen können verkauft werden. Hängt ihre Erlangung lediglich vom Zufall ab (was die Römer eine emtio spei nennen), so muß sich der Käufer wie der Verkäufer dem Spiel desselben unterwerfen, und Ersterer hat keine Entschädigungsansprüche, wenn seine Hoffnungen ganz oder theilweise getäuscht werden. Sind es aber Sachen, deren Gewinn nach dem gewöhnlichen Laufe der Natur mit Sicherheit gehofft werden kann (emtio rei speratae), z.B. Früchte, so ist der Kauf nur dann gültig, wenn sie wenigstens einigermaßen zur Wirklichkeit gelangen. – Die allgemeine Regel, daß der Kaufcontract durch die bloße Übereinstimmung der Parteien [588] perfect wird, leidet eine Ausnahme: 1) wenn er unter einer Bedingung geschlossen wurde, in welchem Falle erst diese erfüllt sein muß; 2) wenn verabredet wurde, ihn schriftlich abzufassen, wo er erst durch die beiderseitige Unterschrift der Parteien vollzogen wird; 3) wenn Sachen nach Maß, Zahl und Gewicht verkauft sind, in welchem Falle der Contract erst perfect wird, wenn sie dem Käufer zugemessen, zugezählt und zugewogen sind; 4) sind Sachen nach Probe (ad gustum) verkauft, so ist der Kauf erst als vollzogen zu betrachten, wenn sie geprüft und annehmbar befunden worden; 5) wenn dem Käufer unter mehren Gegenständen oder unter einer Gattung von Sachen die Wahl gelassen ist, so versteht es sich von selbst, daß das Geschäft erst als perfect zu betrachten ist, wenn er diese Wahl getroffen hat. Ebenso kann man 6) wenn die Bestimmung des Preises einem Dritten überlassen ist, den Contract erst dann für vollendet ansehen, wenn dieser Dritte sich über den Preis erklärt hat. – Von dem Augenblicke an, in welchem der Kaufcontract perfect geworden ist, geht Gefahr und Vortheil der verkauften Sache auf den Käufer über; doch erwirbt er das Eigenthum immer erst, wenn ihm die Sache wirklich übergeben und er den Kaufpreis bezahlt hat; nur wenn auf Credit gehandelt wurde, geht das Eigenthum sogleich mit dem Empfang der Sache auf ihn über. Die Übergabe der Sache muß in der Regel sofort nach bezahltem Kaufpreise und an dem verabredeten Orte mit allem Zubehör und den seit der Perfection des Vertrages gezogenen Früchten erfolgen, und der Verkäufer haftet für iede Nachlässigkeit, welche er sich dabei zu Schulden kommen läßt. Außerdem hat er aber auch noch zwei Verpflichtungen auf sich, die nicht selten zu verwickelten Rechtshändeln führen; er muß nämlich für die verborgenen Fehler und Mängel haften und Gewähr leisten. Was den ersten Umstand betrifft, so läßt das röm. Recht, wenn die verkaufte Sache zur Zeit des Contractes mit verborgenen Fehlern behaftet ist (ohne Unterschied, ob es Haupt- oder geringe Mängel sind und ob sie der Verkäufer kannte oder nicht), oder die Eigenschaften nicht besitzt, welche der Verkäufer ausdrücklich versprach, dem Käufer die Wohl, ob er auf gänzliche Aufhebung des Geschäfts oder blos auf Minderung des Preises klagen will. Die Aufhebungsklage (actio redhibitoria) muß binnen zwei, und die Minderungsklage (actio quanti minoris) binnen sechs Monaten angestellt werden, wofern nicht der Verkäufer Caution geleistet hat, in welchem Falle zur Anstellung der erstern sechs Monate und der letztern ein Jahr gestattet ist. Das Capitel von den Mängeln und Fehlern einer verkauften Sache wird besonders wichtig beim Pferdehandel, und das deutsche Recht, sowie die Particulargesetzgebungen sind deshalb in dieser Beziehung durch besondere Bestimmungen dem römischen vielfach zu Hülfe gekommen. In Sachsen wird eine Klage auf Aufhebung des Pferdekaufs nur zugelassen, wenn das Pferd mit einem der vier Hauptmängel behaftet, stätig, staarblind, hartschlägig oder rotzig ist, oder auch ohne das, sobald der Verkäufer absichtlich andere Fehler verschwiegen oder überhaupt das Pferd fehlerfrei zu gewähren ausdrücklich versprochen hat. – Was die zweite Verpflichtung des Verkäufers, die der Gewährleistung (evictio) anbetrifft, so versteht man darunter die Verbindlichkeit, den Käufer zu entschädigen, wenn ihm die erkaufte Sache im Wege Rechtens wieder abgestritten, sie evincirt wird. Es kann sich nämlich ereignen, daß Jemand wissentlich oder unwissentlich eine Sache verkauft, die ihm gar nicht zugehört und daß nun der wirkliche Eigenthümer sie von dem Käufer zurückverlangt. Hat Jemand wissentlich eine fremde Sache verkauft, so muß er den Käufer, welchem sie wieder abgestritten wird, vollkommen entschädigen, nicht blos in Bezug auf den Verlust der Sache selbst, sondern auch hinsichtlich seines Interesses oder aller der Vortheile, die der Besitz der Sache ihm gewährt hat. Fehlte der Verkäufer aber unwissentlich und blos aus Irrthum, so ist er auch nur zum Ersatz des wirklich erlittenen Schadens verpflichtet, welcher nach dem wahren Werth der Sache zur Zeit der Eviction oder Entwährung ermittelt wird. Der Käufer, gegen welchen eine Evictionsklage erhoben wird, hat davon den Verkäufer in Kenntniß zu setzen (ihm litem zu denunciiren), damit dieser ihm in der Vertheidigung beistehen kann. Thut er dies nicht, so macht er sich dadurch seiner Ansprüche verlustig. – Die aus dem Kaufcontract erwachsenden Verbindlichkeiten des Käufers beschränken sich auf eine richtige, gleich bei Übergabe der Sache zu bewirkende Bezahlung des Kaufpreises und auf Ersatz der Kosten, welche die Erhaltung der Sache vom Augenblicke der Perfection des Contracts an bis zur Übergabe verursachte. Verzögert der Käufer die zahlung, so muß er, selbst wenn die Schuld nicht an ihm liegt, oder er ein Recht dazu hatte, Verzugszinsen bezahlen, von denen er sich nur durch gerichtliche Niederlegung der Kaufgelder befreien kann. Der Kaufpreis muß auch immer einigermaßen mit dem Werthe der Sache übereinstimmen. Wenn Das, was man erhält, nicht halb so viel werth ist als Das, was man dafür gab, so nennt man dies eine Verletzung über die Hälfte (laesio ultra dimidium s. enormis), welche zur Klage auf Aufhebung des Contracts berechtigt. Dem Beklagten bleibt es indeß überlassen, noch so viel zuzulegen, daß die Verletzung wegfällt, wodurch er die Klage abwenden kann. Eine solche enorme Verletzung begründet indeß kein Klagerecht, wenn beide Theile darauf Verzicht geleistet haben, ferner bei dem oben erwähnten Hoffnungskauf (emtio spei), bei öffentlichen Versteigerungen, und endlich wenn ein Erblasser den Verkauf einer Sache für einen bestimmten Preis in seinem letzten Willen angeordnet hat. Außer den bereits erwähnten Klagen, welche durch einen geschlossenen Kauf hervorgerufen werden können, sind die beiden Hauptklagen, welche dadurch entstehen: die actio emti, mit welcher der Käufer, und die actio venditi, mit welcher der Verkäufer auf Erfüllung der aus dem Kaufcontracte und seinen Nebenverabredungen entstehenden Verbindlichkeiten klagt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 588-589.
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