Menschikoff

[114] Menschikoff (Alexander, Fürst), gewöhnlich Menzikoff, russ. Staatsminister, Generalfeldmarschall und Herzog von Ingermanland, wurde 1674 in niederm Stande geboren und erregte als Bäckerbursche, der in den Straßen von Moskau Pasteten zum Verkauf herumtrug, durch sein aufgewecktes Benehmen die Aufmerksamkeit des Zar Peter des Großen selbst oder nach Andern seines berühmten Rathgebers und Günstlings Lefort aus Genf, der ihn als Bedienten zu sich nahm. Bald bemerkte er jedoch M.'s ausgezeichnete Geistesfähigkeiten, unterrichtete ihn nun in allen kriegerischen und friedlichen Dingen, welche zur Bildung eines Staatsmannes gehören, und nahm ihn auch 1697 mit auf jene merkwürdige Reise Peter I. ins Ausland, welche dieser als Mitglied einer Gesandtschaft unternahm, deren Haupt Lefort war. Durch diesen, sowie durch Entdeckung einer Verschwörung dem Zar empfohlen, gewann M. dessen Vertrauen in so hohem Grade, daß er nach Lefort's Tode 1699 gänzlich an die Stelle dieses Günstlings trat und daß Peter I. nichts ohne seinen Rath vornahm. Während des Kriegs mit Schweden zeichnete er sich auch wiederholt im Felde aus und durch ihn ward nach der Einnahme von Marienburg im J. 1702 die dabei in seine Gewalt gekommene nachherige Kaiserin Katharina I. mit dem Zar bekannt und bei diesem in der Folge ebenso die Fürsprecherin M.'s, wie dieser unter der Hand der Beförderer ihrer Wünsche. Die höchsten Würden belohnten seine Dienste und in Anerkennung seines mächtigen Einflusses ward er auch von auswärtigen Höfen mit Ehrenbezeigungen überhäuft und selbst zum deutschen Reichsfürsten ernannt. Dadurch war M. jedoch keineswegs vor den mitunter handgreiflichen Ausbrüchen der übeln Laune und des Zorns des Zars geschützt, dessen gerechten Unwillen ihm aber auch mehrmals seine Habsucht zuzog, von der er sich zu Annahme von Bestechungen und zu Unterschleifen verleiten ließ, wegen der er dreimal in Untersuchung gezogen und zweimal zum Verlust seiner Würden und Güter verurtheilt, jedoch immer begnadigt wurde. Nach Peter I. Tode war es hauptsächlich M., der zugleich im eignen Interesse Katharina I. den Thron verschaffte, von der er hierauf in ihrem Testamente zum Reichsverweser und Vormund für ihren Sohn Peter II. ernannt wurde, der nach ihrem Ableben im Mai 1727 zur Regierung kam. Jetzt herrschte M. fast unbeschränkt und beabsichtigte seine Tochter mit Peter II. zu vermählen, als es unerwartet im Sept. den zahlreichen Feinden des stolzen Fürsten, die fortwährend den jungen Kaiser gegen ihn einzunehmen suchten, zunächst durch die Entdeckung gelang, seinen gänzlichen Sturz herbeizuführen, daß M. eine vom Kaiser seiner Schwester bestimmte Summe von 9000 Dukaten unterschlagen hatte. Sein aus mehr als 12 Mill. Rubeln und 100,000 Bauern bestehendes Vermögen ward eingezogen und M. mit seiner Gemahlin, seinem Sohne und seinen beiden Töchtern in Bauerkleidern nach Sibirien geschickt. Dort lebte M., dem bei allen Fehlern die wichtigsten Verdienste um Verbreitung von Cultur im russ. Reiche und die Begründung seines Ansehens im Auslande stets verbleiben werden, im Städtchen Beresow im Gouvernement [114] Tobolsk von einem kleinen Jahrgelde, wo er auch, in tiefe Schwermuth versunken, 1729 starb.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 114-115.
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