Nothzucht

[309] Nothzucht nennt man den durch rechtswidrige Gewalt erzwungenen Beischlaf mit einer unbescholtenen Person. Sie ist zu unterscheiden von der bloßen unfreiwilligen Schwächung, welche zwar ohne Einwilligung des leidenden Theils, aber auch ohne Gewalt vollzogen wird und an Schlafenden, an völlig Betrunkenen, an Wahnsinnigen und Rasenden, und an einem noch unschuldigen Mädchen kann begangen werden. Die Strafe dieses Verbrechens ist in die Willkür des erkennenden Richters gestellt, doch muß sie härter sein, als die der freiwilligen Schwächung, weil theils Betrug, theils eine Ehrenverletzung damit vereinigt ist. Die Nothzucht erfodert dagegen immer den Gebrauch einer gewissen Gewalt, die aber nicht grade eine äußere physische Gewalt zu sein braucht, sondern auch in einem psychologischen Zwange bestehen kann, wenn. der Mann ein Frauenzimmer mit Übeln bedroht, welche mit der Gefahr augenblicklicher Vollziehung verbunden und ebenso groß oder größer sind als der Verlust der Geschlechtsehre. Die Gewalt muß aber auch unerlaubt und rechtswidrig sein, denn ein Ehemann macht sich durch Erzwingung des Beischlafs mit seiner Frau nicht der Nothzucht schuldig, obwol er auch hierbei strafbar werden kann, wenn er die Grenzen überschreitet. Endlich muß aber auch der Beischlaf vollkommen vollendet sein, wenn der Begriff der Nothzucht Anwendung leiden soll. Die Strafe der Nothzucht ist nach der Carolina die eines Räubers, wovon indeß die Praxis sowol als einzelne Landesgesetze mehrfach abgewichen sind. Heutiges Tags wird dies Verbrechen meist mit einigen Jahren Zuchthaus bestraft.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 309.
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