Pharisäer

[484] Pharisäer, Abgesonderte, Fromme, hießen bei den Juden die Theilhaber einer religiös-politischen Sekte, welche im 2. Jahrh. v. Chr. unter den Makkabäern entstand, ihren Ursprung aber schon früher durch den unter den Juden nach Wiederherstellung ihres Gemeinwesens durch Esra neuerwachten Eifer für das väterliche Gesetz nahm. Indem die Pharisäer demselben und dessen spätern Zusätzen und Ausdeutungen für das Leben die höchste Geltung beimaßen, suchten sie selbst dadurch die religiöse und nationale Selbständigkeit in schroffer Abgeschlossenheit gegen das Ausländische zu bewahren und unterschieden sich hierin von den Sadducäern, welche, in entgegengesetzter Richtung, Religion und Volksbildung dem Einflusse des Auslandes freigaben. Durch das ganze jüdische Land verbreitet, standen die Pharisäer bei dem Volke und den Frauen wegen ihrer zur Schau getragenen [484] Heiligkeit und gründlichen Gesetzkunde in großem Ansehen, bekleideten selbst als Staatsmänner die wichtigsten Ämter und übten dadurch auf das gesammte jüdische Volk einen Einfluß, der zum Theil dessen letzte Geschichte bestimmt hat. Unter sich selbst waren die Pharisäer in die beiden berühmten Schulen des Hillel und Schammai getheilt, die zu Christi Zeit blühten und von denen diese den strengen, jene den gemäßigten Pharisäismus darstellte. Gemäß ihrer Anhänglichkeit an den Buchstaben des Gesetzes und der väterlichen Überlieferungen legten sie dem religiösen Thun gegenüber der religiösen Gesinnung und dem genau abgewogenen Ceremoniell einen hohen Werth bei; hieraus gingen denn die Unduldsamkeit, der kleinliche Ehrgeiz, die Scheinheiligkeit, die selbstgefällige, alles sittlichen Werthes ermangelnde Frömmigkeit hervor, welche Eigenschaft Christus an den Pharisäern hart und nachdrücklich strafte und durch welche die Jesuiten der neuern Zeit die größte Ähnlichkeit mit ihnen erlangt haben. Nach dem Untergange des jüdischen Staates dauerten im Talmud die Grundsätze der Pharisäer fort, deren Name auch bildlich zur Bezeichnung von Scheinheiligen und Heuchlern gebraucht wird.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 484-485.
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