Symmetrie

[344] Symmetrie oder Ebenmaß nennt man die Übereinstimmung der Verhältnisse der einzelnen Theile untereinander zur vollkommenen Darstellung des Ganzen, dem sie angehören. [344] In der Natur tritt die Symmetrie desto mehr an den einzelnen Individuen auf, je mehr sie in ihrer Ausbildung nicht von äußerlichen Zufälligkeiten abhängen. Man erkennt sie vorzüglich in den Krystallen; ebenso sehr, aber minder einseitig sich darstellend, in den organischen Wesen und hier wieder vorzugsweise bei denjenigen, welche freie Bewegung haben und sich daher leichter zufälligen störenden Einflüssen entziehen können, als dieses z.B. bei den Pflanzen der Fall ist. Ein Geschöpf, welches in allen Theilen das rechte, d.h. wahrhaft seiner Natur gemäße Maß hat, zeigt Ebenmaß. Im engern Sinne spricht man aber von Symmetrie bei allen den Erzeugnissen der Natur, welche sich sogleich für die Anschauung als zweitheilig darstellen, sodaß z.B. die Gliedmaßen der einen Seite denen der andern durchaus entsprechen, oder die nur einmal vorhandenen Gliedmaßen nach beiden Seiten hin gleichmäßig geformt sind. Insofern die Kunst eine Nachbildung der Natur ist, muß auch sie das Gesetz des Ebenmaßes in die Darstellung aufnehmen. Die Anfänge der Kunst zeichnen sich dadurch aus, daß sie auf eine einseitige Weise an dem Gesetz der Ebenmäßigkeit halten, weil dieses allerdings die augenfälligste Erscheinungsweise der Schönheit ist. Da aber die Kunst das Geistige in seiner äußerlichen Erscheinung darstellen soll, und sich die Macht des Geistes namentlich in der Bewegung bezeugt, bei welcher die augenfällige Ebenmäßigkeit mehr oder weniger scheinbar gestört wird, so muß die Kunst auch über jenen anfänglichen Standpunkt hinausgehen und die Symmetrie ihrer Schöpfungen nur unter der sich in Leben und Bewegung bezeugenden Herrschaft des Geistes darstellen. Nur die Baukunst hat stets Gebilde zu schaffen, welche eine ruhende, vom Geiste nur geordnete, nicht zum Scheine des Lebens durchdrungene Masse darstellen, und so ist in ihr das Ebenmaß das höchste Gesetz der Schönheit, die Bedingung ihres Anspruchs auf Kunstwerth.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 344-345.
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