Ton

[448] Ton heißt ein Schall (s.d.), welcher durch regelmäßige Schwingungen eines Körpers erzeugt wird und welcher daher dem Ohre durch seine Regelmäßigkeit als Wohllaut vernehmlich ist. Die Musik ist die Kunst, welche die Töne ihrer innerlichen Natur nach auf die mannichfachste Weise zum schönen Ganzen untereinander verbindet, und zur Erzeugung der Töne bedient man sich der musikalischen Instrumente, welche also im Allgemeinen Werkzeuge sind, mit denen und an denen man Körper in jene regelmäßigen Schwingungen setzen kann, welche die Töne bedingen. Das uns zunächst liegende musikalische Instrument besteht in den Stimmwerkzeugen. Man unterscheidet die Töne nach Höhe und Tiefe, je nachdem der tönende Körper eine größere oder geringere Anzahl von Schwingungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums, z.B. einer Secunde, macht; dann nach der verhältnißmäßigen Dauer, während welcher ein Ton angehalten wird; endlich in Hinsicht auf ihren Klang. Die materielle Beschaffenheit der in Schwingungen versetzten Körper, die Art, wie diese Schwingungen erzeugt sind (durch Reiben, Stoßen, Schlagen u.s.w.), bedingen nämlich eine Verschiedenartigkeit des Tons, welche von Höhe und Tiefe, sowie von der Zeitdauer unabhängig ist. Sehr häufig wird der eigenthümliche Klang eines Instruments, einer Menschenstimme selbst wiederum als Ton bezeichnet. Man spricht so z.B. vom Nasenton, Kehlenton, vom schönen Ton eines Instruments, eines Sängers, von der Verschiedenheit des Tons der Blasinstrumente, von dem der Saiteninstrumente u.s.w. Das Gesammtgebiet der Töne in Bezug auf ihre Tiefe und Höhe hat man in der Musik in ein übersichtliches System, Tonsystem, gebracht. Wenn man die durch das Gehör unterscheidbaren Töne aufeinander nach ihrer zunehmenden Höhe folgen läßt und dabei auf die Anzahl der Schwingungen Rücksicht nimmt, durch welche dieselbe erzeugt werden, so entdeckt man bald, daß eine gewisse Wiederkehr der Verhältnisse der einzelnen Töne gegen einander stattfindet, und man nennt dann eine so zusammengehörige Gruppe von Tönen eine Tonleiter. Die nächstfolgende Gruppe, wenn man immer höhere Töne erzeugend fortschreitet, entspricht der ersten auf das genaueste und man erhält also immer dieselbe Tonleiter, nur innerhalb anderer Grenzen. Genauere Betrachtung lehrt, daß der unterste Ton der höhern Gruppe stets durch grade noch einmal so viele Schwingungen erzeugt wird als der unterste Ton der nächstvorhergehenden Gruppe. Was hier Gruppe genannt wurde, heißt in der Musik Octave, weil man in der Tonleiter zunächst acht Töne unterscheidet, wobei man jedoch stets den niedrigsten Ton einer jeden Gruppe nicht nur zu dieser, sondern auch zur vorhergehenden Gruppe als höchsten Ton derselben rechnet. Man pflegt diese Töne mit Buchstaben zu bezeichnen, wie folgt: C, D, E, F, G, A. H, c, d, e, f, g, a, h, Ton u.s.w. Die Abstände dieser Töne voneinander sind nicht gleich, man unterscheidet diese Intervalle (s.d.) daher in ganze und halbe Töne. So sind namentlich das Intervall von E – F und das Intervall von H – c nur halbe Töne. Von C aufwärts ist D der zweite Ton, und D wird daher die obere Secunde zu C genannt; ebenso ist E die höhere große Terz zu C, F die Quarte, G die Quinte. Von E – G ist nur eine kleine Terz, weil das Intervall E – F nur ein halber Ton ist. Italiener und Franzosen bezeichnen die angegebenen sieben Grundtöne durch die Sylben: ut. re, mi, fa, sol, la, si. Daher nennt man die Einübung im Singen der Grundtöne, wobei es namentlich auf das genaue Treffen der Intervalle der aufeinander folgenden Töne beim Gesange und auch bei Instrumenten ankommt, Solmisation, Solmisiren oder Solfeggiren. In der Tonleiter hat man nun zwischen den ganzen Tönen noch halbe [448] angenommen, die zwischen die größern Intervalle fallen, sodaß die Tonleiter nun im Ganzen (mit Einrechnung des nächsten c) aus 13 Tönen besteht. Die zuletzt erwähnten Töne werden entweder als solche bezeichnet, welche durch Erhöhung des nächstvorhergehenden ganzen Tons entstehen, oder als solche, die durch Vertiefung des nächstfolgenden ganzen Tons zu Stande kommen. Im ersten Falle hat man nun folgende aufsteigende Tonleiter: c, cis, d, dis, e, f, fis, g, gis, a, ais, h, c; im zweiten folgende absteigende: c, h, hes, a, as, g, ges, f, e, es, d, des, c. Bisher wurde immer vorausgesetzt, daß der Ton, von welchem bei der Tonleiter ausgegangen wurde, der Grundton, C war; statt dessen kann aber auch jeder andere Ton der Tonleiter als Grundton angenommen werden, und so erhält man für jeden eine eigne Tonleiter, welche nach der von c ganz analog gebildet ist. Es wurde ferner im Vorhergehenden angenommen, daß das Intervall zwischen dem dritten und vierten Ton. (E – F) ein halber Ton war; statt dessen kann man die Tonleiter auch so anordnen, daß diese halbe Tonstufe zwischen den zweiten und dritten Ton fällt, und hiernach unterscheidet man zwei verschiedene Tonarten, indem die 12 Tonleitern, bei denen das Intervall zwischen dem dritten und vierten Ton ein halber Ton ist, Durtonarten, harte Tonarten genannt werden, während die 12 Tonleitern, bei welchen der halbe Ton zwischen den zweiten und dritten Ton fällt, Molltonarten, weiche Tonarten genannt werden. Je nach dem Eindruck, welche die verschiedenen Tonarten auf das unmittelbare Gefühl des Hörers hervorbringen, bestimmt man ihren Charakter. Während sich die Durtonarten mehr zum Ausdruck froher und lebhafter Empfindungen eignen, schicken sich die Molltonarten besser für weiche, schwärmerische und traurige Gefühle. Die einzelnen Tonleitern haben dann wieder ihren besonders bestimmten eigenthümlichen Charakter. Wenn man die Gesammtheit aller Töne, aller Tonarten, nachdem diese Töne ganz scharf festgesetzt sind, betrachten wollte, so würde sich finden, daß einzelne dieser Töne außerordentlich nahe aneinander fallen, sodaß es schwer ist, mit den musikalischen Instrumenten sie nach ihrer Verschiedenheit zu erzeugen. Aus diesem Grunde hat man im ganzen Tonsysteme einzelnen Tönen ein wenig von ihrer Reinheit genommen, um sie für andere Tonarten brauchbar zu machen, oder, was Dasselbe, man hat die allzu nah zusammenfallenden Töne der verschiedenen Tonarten zusammengefaßt, sodaß nur ein Ton für mehre Töne in mehren Tonarten gesetzt wird. Dies nennt man die Temperatur des Tonsystems. Wenn alle zwölf Töne der Tonleiter genau gleichweit voneinander abstehen, so wird die Temperatur gleichschwebend genannt. Dann verlieren alle reinen Quinten etwas an ihrer ursprünglichen Reinheit, den Quarten wird zugefügt und die großen Terzen sind um gleichviel zu hoch gestimmt. Wenn dagegen einige Quinten und Terzen ein wenig zu hoch, andere ein wenig zu niedrig gestimmt sind, so heißt die Temperatur ungleichschwebend.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 448-449.
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