Drahomira

[219] Drahomira, eine Heidin, die wegen ihrer seltenen Schönheit von Herzog Wratislaw von Böhmen im Jahre 907 zu seiner Gemahlin erhoben wurde, unter der Bedingung, daß sie gleich nach der Heirath zum Christenthume übergehen solle. Nichts desto weniger trieb Drahomira fernerhin die Abgötterei, haßte und verfolgte die Anhänger Jesu auf alle Weise. Im Jahre 993 gebar sie Wenzeslaus, der um seiner Frömmigkeit und seines reinen Wandels willen nach seinem frühen Tode heilig gesprochen, aber seiner edlen und wahrhaft christlichen Gesinnungen wegen von seiner Mutter gehaßt wurde. Sein ein Jahr später geborner Bruder Boleslaus, der sich mehr zu den Glaubensmeinungen Drahomira's hinneigte, wurde ihr Liebling, und als Wratislaw im Jahre 916 starb, nachdem er verordnet hatte, daß man das Land unter seine Söhne theilen sollte, bemächtigte sie sich, weil diese noch unmündig waren, der Regierung um, wo möglich, den Götzendienst aufrecht zu erhalten, und Boleslaus auf Kosten seines Bruders zu begünstigen. Während einer 4jährigen Herrschaft übte sie die empörendsten Grausamkeiten aus, und nahm das geringfügigste Verschulden zum Vorwand der martervollsten Hinrichtungen. Endlich aber widersetzten sich die Christen dieser Tyrannei und erkämpften ihr Recht durch blutigen Streit, der auf dem Markte zu Prag vorfiel, und sich mehrmals wiederholte. Da die fromme Ludmilla, ihre Schwiegermutter, der christlichen Religion auf das Innigste ergeben, diese immer weiter zu verbreiten strebte, so bemühte sich Drahomira, sie aus dem Wege zu räumen, erkaufte Mörder, und ließ sie im Schlosse zu Tatin umbringen. Drahomira's Sohn Wenzeslaus, obgleich erst 13 Jahre alt, aber von männlicher Einsicht und Festigkeit und dem christlichen Glauben ergeben, beschloß endlich den Gewaltschritten seiner Mutter ein Ziel zu setzen. Er begab sich nach Prag, rief dort die Stände zusammen und entsetzte sie der Regierung. Ein Versuch, ihn zu vergiften, mißlang. Obschon Wenzeslaus der unnatürlichen Mutter großmüthig verzieh, war es ihm doch unmöglich, deren [219] Liebe zu erwerben. Rachedürstend gewann sie seinen Bruder, welcher ihn zu einem Feste lud und dort ermordete. Drahomira freute sich indeß nicht lange ihrer endlich gelungenen Frevelthat. Sie nahm ein Ende, das ihren Zeitgenossen als gerechte Vergeltung für ihr lasterhaftes Leben galt. Scheugewordene Pferde gingen auf einer Reise nach Saatz mit ihr durch, und rissen sie schleifend im raschen Lauf eine große Strecke mit sich fort, so daß, als man derselben endlich mächtig wurde, Drahomira furchtbar verletzt, nach großen Qualen bald ihren Geist aufgab.

A.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 219-220.
Lizenz:
Faksimiles:
219 | 220
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika