Flieder

[152] Flieder, auch schwarzer Hollunder genannt, in die 24. Familie (Caprifolien) gehörend, ist im nördlichen und mittlern Asien und Europa, vorzüglich in Deutschland, zu Hause. Er wächst als Stamm 15–20 Fuß hoch, hat eine rissige Rinde, blüht im Juni und trägt im September und October reife Früchte. Der medicinische Nutzen des Flieders ist sehr groß. Von den frischen, gelblich weißen Blumen erhält man durch Destillation ein schweißtreibendes Mittel; die getrockneten Blüthen geben, mit kochendem Wasser übergossen, den allgemein bekannten Flieder- oder Hollunderblüthenthee. In Milch gekocht und warm aufgelegt dienen sie, Zahn-, Hals- und Ohrenschmerzen zu vertreiben. Aus den reisen, schwarzen Beeren bereitet man eine gelind abführende Latwerge, so wie einen wohlschmeckenden, gefunden Wein. Noch wirksamer als Blüthen und Beeren sind die innere grüne Rinde, das Laub und der Same der Beeren, und man hat Beispiele, daß sie, unvorsichtig gebraucht, gefährliche Zufälle hervorgebracht, weßhalb es auch nicht rathsam ist, das junge Laub im Frühjahr als Salat zu genießen, was an manchen Orten geschieht. Dem an den Fliederbäumen zuweilen vorkommenden Schwamm, Judasohr genannt, schreibt man ebenfalls medicinische Kräfte zu. Das feinere Holz des Stammes und der Wurzel wird zu Tischler- und Drechslerarbeit[152] benutzt. Die Vermehrung geschieht durch Wurzelsprossen, und selbst aus Samen gezogen bringt der Baum schon nach vier Jahren Früchte. In der Blumensprache bezeichnet der Flieder jugendliche Frische.

L. M.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 152-153.
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