Seekrankheit

[191] Seekrankheit, der eigenthümliche Schwindel, welcher durch die schaukelnde Bewegung entsteht und dessen gelindere Grade auf der Schaukel oder beim Rückwärtsfahren sich äußern. Er ist in seinen Wirkungen vollkommen dem Uebermaß geistiger Getränke zu vergleichen, denn der Seekranke wankt, es dreht sich alles mit ihm im Kreise, er sieht die Gegenstände falsch, bekommt Uebelkeit und muß alles Genossene durch Erbrechen von sich geben. Nicht alle Menschen werden seekrank, einige sehr schwer, viele sogleich, einzelne aus Furcht schon, ehe sie ins Schiff steigen. Die Empfindung ist unbeschreiblich fürchterlich, besonders im Augenblicke, wo das Schiff mit einer Welle herabsinkt; dann will das Herz zerspringen, man möchte sich mit den Nägeln in die Pfosten eingraben, um dem Falle zu begegnen, der so schnell scheint; die Sinne schwinden, die Luft zum Leben und selbst die Gefühle für das Theuerste hören auf; nur der Wunsch ist lebendig, daß die Qual enden möge, sei es auch durch den Tod. Es gibt kein Mittel, als Gewohnheit, jeder aber hat ein anderes, und doch hilft es Keinem. Einer liegt und schläft, ein Anderer raucht, ein Dritter trinkt Wein, Wasser, Rum, ißt Brod, hungert, ißt viel; ein Anderer sitzt wie eine Statue mit geschlossenen Augen und spricht kein Wort, und das Resultat ist stets dasselbe, man bekommt die Krankheit. Das beste ist Heiterkeit und Erlernung des Matrosenganges, Aufschauen gen Himmel und nach fernen Gegenständen und Muth. Auf Dampfboten macht die zuckende Bewegung von rechts nach links und umgekehrt, je nachdem ein Rad mehr eingreift, so wie das Zittern der Maschine leichter krank. Geistige Kraft, fester Wille vermögen unendlich viel, denn diese[191] Krankheit ist zum Theil eine Nervenschwäche und Geistesverzagtheit.

D.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 191-192.
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