Seekrankheit

[257] Seekrankheit (Nausea), Unwohlsein, das bei Menschen (und Tieren) durch die schaukelnden Bewegungen eines Schiffes entsteht, aber auch durch die Benutzung einer Schaukel oder eines Karussells, bei empfindlichen Personen durch Eisenbahnfahrt hervorgebracht werden kann. Die Entstehungsweise der S. ist nicht ganz klar; ob eine direkte Einwirkung auf das Gehirn (durch Erschütterung), ob Zirkulationsstörungen namentlich im Gehirn, oder Druckänderungen und Organverschiebungen in der Bauchhöhle sie verursachen, ist unentschieden. Die S. geht einher mit Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, weiterhin auch mit Diarrhöe, Betäubung, Hinfälligkeit, Niedergeschlagenheit, Ekel an allem und jedem, schließlich selbst am Leben. Bei widrigem Wind und auf Segelschiffen ist das Übel heftiger als bei günstigem Wind und auf Dampfschiffen. Bei dem Stampfen des Schiffes, wobei es von den Wellen gehoben und gesenkt wird, befinden sich Seekranke am übelsten. Die S. ergreift mit wenig Ausnahme alle, die sich zum erstenmal der See anvertrauen; häufige Seereisen verringern die Disposition, doch werden bisweilen alte Matrosen nach längerm Aufenthalt auf dem Lande wieder befallen. Frauen und junge, schwache Personen sind der S. am meisten unterworfen. Meist gewöhnt man sich nach einigen Tagen an die Bewegung des Schiffes, und das Übel verschwindet; in andern Fällen dauert die Krankheit so lange, als man sich auf offenem Meer befindet. Zerstreuung, das Liegen in Hängematten, der Aufenthalt auf Deckmitschiffs, weil dort die Exkursion der Schiffsbewegungen am kleinsten ist, starker Wille etc. lindern das Übelbefinden des Kranken. Nach der S. stellen sich Vermehrung des Appetits, kräftigere Verdauung, erhöhte Lebenslust ein. Zur Verhütung oder schnellen Beseitigung der S. kennt man kein für alle Fälle passendes Mittel. Mäßige Füllung des Magens, warme Kleider, Vermeidung kalter Getränke wirken jedenfalls günstig ein; in manchen Fällen ist eine geringe Gabe Morphium von Erfolg, bei andern Personen sind Reizmittel, besonders Alkohol (Rum, Grog), von guter Wirkung; auch Antipyrin, Kokain, Atropin, Bromsalze (möglichst schon einige Tage vor der Seefahrt) werden empfohlen. Vgl. Rosenbach, Die S. (in Nothnagels »Spezieller Pathologie und Therapie«, Bd. 12, Wien 1896) und Die S. als Typus der Kinetosen (das. 1896); Warmburg, Die S., praktische Winke (Berl. 1898); Schwerdt, Die S. (Jena 1902 u. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 257.
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