Brod

[197] Brod, ist unter künstlich bereiteten Nahrungsmitteln eines der gesündesten und am längsten bekannten, welches vor allen anderen den Vorzug hat, daß man es am oftesten genießen kann, ohne desselben überdrüssig zu werden. Ehe man das Brod, wie wir es heut' zu Tage besitzen, zubereiten konnte, mußte die Procedur des Gährens entdeckt, mußten Mühlen erfunden werden; so lange dieß nicht der Fall war, begnügte man sich, das Getreide roh, ohne alle Zubereitung, höchstens aufgequollen zu genießen. Hierauf lernte man den Samen zwischen Steinen von Menschenhänden zerreiben und kochte sich aus dem erlangten Mehle Brey. Die heutigen Osterfladen der Juden ermangeln noch der Gährung, die alten Griechen und Römer buken ähnliche Brode. Die Morgenländer waren die Ersten, welche sich der Backöfen bedienten; in Europa wurden dieselben erst 583, nach der Erbauung Roms bekannt. Mit Erfindung des Bierbrauens und der dadurch erlangten Hefen, welches seinen Ursprung jedenfalls aus Hochasien herleitet, gelangte man zu dem durch Gährung aufgegangenen Brode. Gegenwärtig wird die Gährung in einem großen Theile von Europa von einem Ofen zum andern durch ein wenig aufbehaltenen Teiges fortgepflanzt. Die Franzosen, namentlich die Pariser, bedienen sich zum Auflockern ihrer Semmelbrode des Taubenmistes. Das florentinische Hausbrod von feinem Weizenmehle und wenig gesalzen ist ein sehr angenehmes Tischbrod, das französische und englische Hausbrod ist diesem sehr ähnlich, nur etwas stärker gesalzen und von[197] gröberem Mehle. Das Roggenbrod, wie wir es namentlich in Deutschland backen, ist am kräftigsten und nahrhaftesten; der aus grob geschrotenem Roggen gefertigte westphälische Pumpernickel ist nahrhaft, aber schwerverdaulich. In getreidearmen Gegenden bedient man sich verschiedener Surrogate zum Brodbacken; so in Schottland des Hafers, in Schweden der Baumrinde, in Norwegen getrockneter Fische, im sächsischen Erzgebirge der Kartoffeln, in Italien geschrotener egyptischer Bohnen, in Aegypten des Hirsebrodes, in Brasilien des Cassava oder Maniocbrodes, welches aus dem milden Salzmehle der scharfen Giftwurzel Mandicoa bereitet wird. In Indien vertritt der Brodbaum (s. d.) unser Getreide. Nicht weniger als das Klima übt die Güte des Brodes auf unsere Leibesconstitution einen großen Einfluß aus, und es ist deßhalb sowohl die Wahl des Getreides als das Backen selbst einer besondern Sorgfalt zu unterwerfen. Von gutem Weizen oder Weißbrod enthalten 100 Ps. wenigstens 80 wirklichen Nahrungsstoff, so wie ein dresdner Scheffel guter Roggen 130 Ps. Mehl gibt. Aus 100 Ps. gutem, trocknem Roggenmehl erlangt man 150 Ps. ausgebacknes Brod. 1 Ps. Roggenbrod gewährt eben so viel Nahrung als 3 Ps. Kartoffeln. Um schlechtem Mehle ein besseres Ansehen zu geben, oder die Gährung zu befördern, bedienen sich die Bäcker mannichfacher Verfälschungen durch Zusätze von Kreide, gebranntem Kalke, Knochen-oder Holzasche, Pfeifenerde, Gyps und selbst Alauns, welchen indessen durch chemische Zersetzungen leicht auf die Spur zu kommen ist. In neuerer Zeit wurden in Holland 15 Bäcker wegen Brodverfälschung, durch Zusatz von Alaune zu einer Geldstrafe und 5 Monat Gefängniß verurtheilt.

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Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 197-198.
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