Susanna

[483] Susanna. Es ist der Tugend herrlicher Triumph und des Lasters schimpfliche Niederlage, daß der Böse den Blick, ja nicht einmal das Dasein des Reinen und Edlen ertragen kann. Darum entflammt aber auch, wenn er vergebens der Unschuld seine Schlingen stellte, in ihm der Geist jener Rache, welcher den schuldlosen Joseph in Ketten warf, – welcher die Susanna zum Tode verurtheilte! Von wunderbarer Schönheit, – so erzählen die heiligen Geschichten – wurde S. schon längst von den zween Aeltesten des[483] Volks mit lüsternen Wünschen verfolgt. Eines Tages überraschten sie dieselbe einsam im Garten. Aber auch hier wies sie das sündliche Begehren derselben, nicht achtend der Todesgefahr einer falschen Anklage, mit stolzem Unwillen zurück. Und bald darauf ward die reine Lilie vor Gericht von dem Mehlthaue der Verläumdung zum Tode vergiftet, und nur die Thautropfen himmlischer Ergebung erglänzten noch wie ein Perlenschmuck höherer Welten in ihrem Kelche. Da erwachte plötzlich zur glücklichen Stunde der Geist der ewigen Gerechtigkeit im jungen Daniel, und es gelang dem frommen und begeisterten Gottesgärtner, die süße Zierde des Unschuldgartens von allem Makel zu lösen. Und die Blume hob wiederum das reine Haupt, und der schwarze Mund der Ankläger verstummte; wie ein Sonnenregen strömten Freudenthränen-über Susanna's Wangen, und von der untergehenden Sonne her brachten ihr die Westwinde Kunde von der ewigen Gnade und dem Frieden des Himmels.

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Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 483-484.
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