Localisation

[603] Localisation (von locus, Ort) ist die Verlegung von Empfindungen an eine mehr oder weniger bestimmte Stelle im Leibe oder dessen Umgebung, die Beziehung einer Empfindung auf einen Ort als Ausgangspunkt derselben, als Stätte der Erregung. Die Localisation beruht auf einer (eingeübten) Association der Empfindung mit einer Raumvorstellung, mit Bewegungs- und Lageempfindungen. Sie ist von der Projection (s. d.) zu unterscheiden. – Die Localisation wird bald als unmittelbare Function der Empfindung, bald als Associationsproduct betrachtet.

Die Localisation erörtert DESCARTES: »Quamvis... haec [titillatio ac dolor] extra nos esse non putentur, non tamen ut in sola mente sive in perceptione nostra solent spectari, sed ut in manu, aut in pede, aut quavis alia parte nostri corporis. Nec sane magis certum est, cum exempli causa, dolorem sentimus tanquam in pede, illud quid esse extra nostram mentem, in pede existens, quam cum videmus lumen tanquam in sole illud lumen extra nos in sole existere; sod utrague ista praeindicia sunt primae nostri aetatis« (Princ. philos. I, 67). »Probatur autem evidenter, animam non quatenus est in singulis membris, sed tantum quatenus est in cerebro, ea quae corpori accidunt, in singulis membris nervorum ope sentire« (l.c. IV, 196). – Nach J. G. FICHTE versetzt die Seele alles in ein bestimmtes[603] Raumverhältnis zu dem ihr a priori innewohnenden Ausdehnungsgebilde ihres Leibes (Psychol. I, 342). A. BAIN führt die Localisation auf Association von Gesichts- und Tastempfindungen zurück (Sens. and Int. p. 394 ff.; Ment. and Mor. Scienc. p. 101). Nach VOLKMANN ist Localisation der »Proceß der Umgestaltung der Empfindung aus der bloßen Vorstellung zu einem Vorgang an einer mehr oder weniger bestimmten Stelle des Leibes« (Lehrb. d. Psychol. II4, 117). Sie ist ein zur Empfindung neu hinzukommender Proceß (l.c. S. 118). »Was der an sich ortlosen Empfindung ihre örtliche Beziehung verleibt, das ist ihre reproducierende Tätigkeit, die sie mit einer Vorstellung in Verbindung bringt, welche bereits ihre Stellung in einem Raumschema, und zwar in dem Raumschema des Leibes, gefunden hat« (l.c. S. 119). Nach LOTZE u. a. gibt es »Localzeichen« (s. d.). Nach G. HEYMANS kommt den Gehörs-, Geruchs- und Hautempfindungen eine ursprüngliche (nicht erst aus der Verbindung mit Gesichtseindrücken abgeleitete) Localisation zu (Ges. u. Erk. d. wiss. Denk. S. 218). SERGI erklärt die Localisation als »tendance de la perception à revenir vers la cause qui a excité le fait psychique, parceque ce fait est en relation avec elle«. »La perceptivité se développe par une réflexion de l'onde excitatrice, et cette onde ne peut être réfléchie sur un autre point que sur le point même d'excitation« (Psychol. p. 189). Nach RIEHL ist »Localisation« der Ausdruck dafür, daß »jede Empfindung begrenzt und bestimmt ist durch etwas, was nicht selbst empfunden wird« (Philos. Kritic. II 1, 42). G. VILLA erklärt: »Die Localisation ist nie mit einer einzigen Vorstellung gegeben, sondern das Ergebnis einer Beziehung zwischen der Tast- und der Gesichtsvorstellung; denn auch die erste erweckt immer eine wenn auch sehr dunkle Vorstellung von dem Teile des berührten Körpers« (Einleit. in d. Psychol. S. 276). So auch schon WUNDT (Gr. d. Psychol.5, S. 126). Die Localisation des Tastsinnes ist beim sehenden Menschen keine unmittelbare (ib.). Die Erweckung einer Gesichtsvorstellung durch den Tasteindruck wird durch Localzeichen (s. d.) ermöglicht (ib.). Nach JODL ist Localisation der Proceß, »durch welchen ein Empfindungsphänomen an eine bestimmte, ento- oder epiperipherische Stelle des Leibes verlegt wird« (Lehrb. d. Psychol. S. 551). Externalisation ist »jener Vorgang, durch welchen ein Empfindungsphänomen an irgend einen Punkt des den Leib umgebenden Raumes verlegt wird« (l.c. S. 553). Nach FAUTH ist die Localisation »die gesamte Tätigkeit der Apperception, welche den Teilen ihre Stelle im Ganzen anweist« (Das Gedächtnis S. 44). KÜLPE betont: »Localisieren im eigentlichen Sinne lassen sich nur diejenigen Empfindungen, denen wir eine ursprünglich räumliche Eigenschaft beilegen, also die Tast- und Gesichtsempfindungen.« Bei den Geruchs- und Gehörseindrücken ist die Localisation eine Association (Gr. d. Psychol. S. 388 ff.). Vgl. E. HERING, Der Raumsinn u. d. Beweg. d. Auges, in Hermanns Handb. d. Phys. III, 1, S. 343 ff.; H. MÜSTERBERG, Beitr. zur exper. Psychol. H. 2, 1889. – Vgl. Raum.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 603-604.
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