Reiz

[247] Reiz heißt psychophysisch jeder physikalisch-chemisch-physiologische Proceß, welcher als Auslöser von Sinnesempfindungen gilt. Psychischer Reiz ist jeder Bewußtseinsinhalt, der selbst Bewußtseins- (Willensprocesse) auslöst. Eine Art desselben ist der ästhetische Reiz. Je nachdem der Reiz außerhalb oder innerhalb des Organismus besteht, heißt er äußerer oder innerer Reiz. Man kann auch periphere und centrale Reize unterscheiden.

Nach BENEKE werden von der Seele »infolge von Eindrucken oder Reizen, die ihr von außen kommen«, Empfindungen und Wahrnehmungen gebildet (Lehrb. d. Psychol.3, S. 16). Fünf verschiedene Reizungsverhältnisse gibt es: »1) Der Reiz ist zu gering für das ihn aufnehmende Vermögen. dieses wird nur zum Teil von ihm ausgefüllt, so das also Ungenügen, Aufstreben zu höherer Erfüllung, Empfindungen von Unlust entstehen. 2) Der Reiz ist gerade angemessen zur Ausfüllung des Vermögens. keiner der beiden Factoren steht über den andern hinaus: die Grundform für die gewöhnlichen Wahrnehmungen, so wie überhaupt für das Vorstellen. 3) Der Reiz ist in ausgezeichneter Fülle oder überfließend gegeben für das Vermögen, ohne doch schon irgendwie ein übermäßiger zu sein. Dies ist das Grundverhältnis für die Lustempfindungen. 4) Der Reiz ist allmählich zum Übermaße angewachsen: die Grundform des Überdrusses, der Abstumpfung. 5) Der Reiz tritt auf einmal als ein übermäßiger ein: die eigentliche Überreizung oder die Grundform des Schmerzes« (l. c. S. 42 ff., 67 f., 82 f., 201 f.). – Nach ZEISING ist der Reiz »die Bestimmtheit einer Erscheinung im Verhältnis zum empfindenden Subject« (Ästhet. Forsch. S. 126). WUNDT erklärt: »Die Entstehung der Empfindungen ist, wie uns die physiologische Erfahrung lehrt, regelmäßig an gewisse physische Vorgänge gebunden, die teils in der unseren Körper umgebenden Außenwelt, teils in bestimmten Körperorganen ihren Ursprung haben, und die wir mit einem der Physiologie entlehnten Ausdruck als die Sinnesreize oder Empfindungsreize bezeichnen. Besteht der Reiz in einem Vorgang der Außenwelt, so nennen wir ihn einen physikalischen. besteht er in einem Vorgang in unserm eigenen Körper, so nennen wir ihn einen physiologischen. Die physiologischen Reize lassen sich dann wieder in periphere und centrale unterscheiden, je nachdem sie in Vorgängen in den verschiedenen Körperorganen außerhalb des Gehirns oder in solchen im Gehirn selbst bestehen« (Gr. d. Psychol.5, S. 46 f.). – KÜLPE erklärt: »Bei der Vergleichung der Reize pflegt man den einen constant zu erhalten, während man den andern verändert. Jener constante Reiz ist somit gewissermaßen die Norm, an welcher man die Beschaffenheit des andern feststellt. Mit Rücksicht hierauf bezeichnet man jenen als Normalreiz = N, diesen als Vergleichreiz = V« (Gr. d. Psychol. S. 51). – Nach H. COHEN und andern Idealisten ist der Reiz die »objectivierte Empfindung«, nichts Transcendentes (Princ. d. Inf. S. 154). Vgl. Energie (specifische), Sinne, Psychophysik, Webersches Gesetz.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 247.
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