Richter, Raoul

[598] Richter, Raoul, geb. 1871 in Berlin, Prof. in Leipzig.

R. ist von Kant, Schopenhauer, Nietzsche beeinflußt, im wesentlichen aber ein Schüler Wundts, dessen Voluntarismus und evolutionistischen Idealismus er teilt. Die tiefere Einsicht in das Wesen des Skeptizismus führt, zur Überwindung desselben. Bei einem weiteren und entsprechenden, kritischen Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriff fallen alle skeptischen Bedenken weg, die nur auf der Stufe einer dogmatisch-realistischen Weltanschauung sich ergeben. Das Berechtigte im Skeptizismus bleibt bestehen, so die Relativität der Erkenntnis (aber nicht der a priori geltenden logischen Grundsätze). Verschiedene Grade der Gewißheit und Wahrscheinlichkeit sind zu unterscheiden. Wahrheit ist die »Eigenschaft eines Urteils, allgemein mit dem Beurteilten, näher mit Erfahrung und Denken sich in Übereinstimmung zu befinden«. Eine von allem Bewußtsein unabhängige, absolute Wahrheit ist ein Unding. Es gibt nur relative Wahrheit, »nur Wahrheit für jemand«, wohl aber allgemeine, objektive Wahrheit (Allgemeingültigkeit). Relativ ist auch aller Wert, da er stets ein fühlendes und wollendes Wiesen voraussetzt, der ihn als Zweck begehrt, dessen gewelltes Ziel er ist. Doch gibt es allgemeingültige Werte und eine Logik der Werte ist möglich, welche Unterwerte nach einem Ober- oder Grundwert abschätzt und anordnet. Die Festhaltung des Oberwertes ist für die Sittlichkeit charakteristisch. Gott ist die »lebendige überpersönliche[598] Weltapperzeption«, vielleicht »ein sich entwickelnder, ein werdender Gott«. »Alle seine Organe und seine vornehmsten Organe, die Menschen, wirken an seinem Aufbau und ewigen Wachstum mit.«

SCHRIFTEN: Schopenhauers Verhältnis zu Kant, 1893. – Friedrich Nietzsche, 1903; 2. A. 1909. – Der Skeptizismus in der Philosophie, 1904-08. – Philosophie und Religion, 1905. – Einführung in die Philosophie, 1907, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 598-599.
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