2. Die Entstehung des Chaßidäismus in Polen.

[563] Der Chaßidäismus, dieser häßliche Auswuchs des Judentums, der gleichzeitig mit der Aufklärerei in Deutschland entstand, hat auch schon seine Literatur, wie sich denken läßt. Nichtsdestoweniger kann man behaupten, daß der Ursprung desselben noch nicht kritisch fixiert ist. Auch pathologische Erscheinungen in der Geschichte haben eine naturgemäße Entwicklung und einen Fortschritt. Man muß daher den ersten Keim und Ansatz von dem späteren Verlauf scharf auseinanderhalten. In der satirisch-burlesken Schrift ןירימט הלגמ von J. Perl, einem sehr gelungenen Seitenstück zu den Epistolae obscurorum virorum (erschienen 1819), in welcher der Chaßidäismus in puris naturalibus auftritt, ist diese Distinktion der Zeiten oder des Ursprunges und Verlaufes nicht beachtet, weil es dem Verfasser nicht um geschichtliche Darstellung zu tun war. Nichtsdestoweniger wurde diese Schrift bisher als Hauptquelle angesehen, wie denn überhaupt die Nachrichten, welche Perl lieferte, die Grundlage für die Darstellung des Chaßidäismus bei Jost bildeten. Aber Perl konnte weder genau die ersten Anfänge des Chaßidäismus angeben, noch die Diadoche der Häupter feststellen. Er wußte wenig von Beer Mizricz zu berichten, der viel mehr als der Stifter zur Ausbildung, Erstarkung und Vermehrung der Sekte beigetragen hat. Naturgemäß macht jedes apostolische Zeitalter mehr Propaganda als der Initiator. Es ist daher notwendig, die Genesis und die Entwicklung der jetzt um sich greifenden [563] Sekte zu fixieren. Dazu ist aber eine Übersicht der Quellen und eine kritische Prüfung derselben notwendig.

Die Quellen wollen wir in hebräische und nichthebräische, und die erste Rubrik in chaßidäische und gegnerische einteilen.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1900], Band 11, S. 563-564.
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