Auswärtige Beziehungen des Alten Reichs

[208] 253. Im allgemeinen scheinen die drei Jahrhunderte des Alten Reichs friedlich verlaufen zu sein. Indessen hat es an gelegentlichen Kämpfen mit den Barbaren ringsum nie gefehlt; und die stereotype Darstellung des Königs als Sphinx in den Grabtempeln und Rê'heiligtümern der fünften Dynastie zeigt unter seinen Klauen Asiaten, Libyer und Bewohner von [208] Punt. Mehrere Felsskulpturen bei den Bergwerken von Wadi Maghâra am Sinai berichten von Kämpfen mit den dort hausenden semitischen Menziu. Unter Saḥurê' ist es, wie ein großes Relief in seinem Grabtempel zeigt, wieder einmal zu einem Kriege mit den Libyern gekommen, aus dem zahlreiche gefangene Häuptlinge mit ihren Weibern und Kindern heimgeführt wurden. Die Geschichtsgöttin »verzeichnet die Zahl der lebenden Gefangenen, welche aus allen Wüstenländern herbeigebracht wurden«; bei der Beute an Rindern, Eseln, Widdern und Schafen erscheinen nach aegyptischer Gewohnheit arg übertriebene Zahlen. – In Asien reichten die Beziehungen Aegyptens schon unter Snofru, und vermutlich bereits lange vor ihm, nach Palaestina und der Libanonküste (§§ 229. 232). Daraus hat sich offenbar eine Suprematie über diese Gebiete entwickelt. In einem Grabe der fünften Dynastie in Dešâše, oberhalb des Faijums, hat Anti, der Vorsteher des Gaus von Herakleopolis, Kämpfe in Syrien dargestellt und erzählt. Die dürftigen Trümmer des Gemäldes zeigen die Eroberung einer Stadt Neṭi'a. Die Feinde haben semitische Züge, Vollbart, langes aufgebundenes Haar und langen Rock; ihre Waffen sind Bogen und Keule. In den Kämpfen vor der Stadt überschütten die Aegypter sie mit Pfeilen oder packen sie beim Schopf und schlagen ihnen mit der Streitaxt (mit kurzer halbrunder Metallschneide) den Kopf ab. Dann brechen sie den mit Bastionen verstärkten Lehmziegelwall mit spitzen Stangen und setzen Sturmleitern an; die Weiber und Kinder pflegen die Verwundeten und horchen voll Angst auf die Arbeit des Mauerbrechers, der Häuptling auf seinem Thron rauft sich auf die Kunde von dem Eindringen der Aegypter die Haare aus, mehrere Krieger zerbrechen in Verzweiflung ihre Bogen. Weiter unten werden die Gefangenen, vor allem die erbeuteten Weiber und Kinder, fortgeführt. Diese Darstellung wird jetzt ergänzt durch große Reliefs aus dem Grabtempel des Saḥurê, welche uns einen auf Seeschiffen entsendeten Heereszug nach Asien kennen lehren, dessen Ziel nur die phoenikische Küste und das [209] Libanongebiet gewesen sein kann. Die siegreich ins Niltal heimkehrenden Schiffe, deren Mannschaften den König mit freudigem Zuruf begrüßen, sind voll von gefangenen semitischen Häuptlingen, die gezwungen werden, gleichfalls in die Huldigung einzustimmen. Auch die Bären, die einige andere Fragmente in sehr naturgetreuer Darstellung wiedergeben, können nur aus diesem Gebiet stammen. Sie sind angebunden und sollten wohl in einen Bärenzwinger überführt werden; neben ihnen stehen große ausländische Tonkrüge. Danach kann es nicht länger zweifelhaft sein, daß Palaestina und die phoenikische Küste im Alten Reich schon ebenso eine Dependenz Aegyptens gebildet hat, wie in der folgenden Zeit. Die Kämpfe, welche wir hier kennen lernen, haben ihre Fortsetzung unter der sechsten Dynastie gefunden (§ 266).


In Wadi Maghara sind Saḥurê, Neweserre', Menkauḥor, Ṭeṭkere' Asosi, Pepi I. und Pepi II. vertreten: LD. II 39. 116. 152 a. SETHE, Urkunden des A. R 32. 53ff. 91. 112. WEILL, Rec. des inscr. du Sinai p. 103ff. – Grab des Anti: PETRIE, Deshasheh pl. 4. Dazu v. BISSING rec. 32, 46ff. – Kriege des Saḥurê: Mitteil. der D. Orientgesellsch. Nr. 34. Die wichtigsten Abbildungen sind kurz im ersten Bande von BORCHARDTS Publikation (§ 249 A.) gegeben; der zweite Band, der sie eingehend behandeln wird, ist im Druck. SETHE (ÄZ. 45, 140 u. sonst) will das in den aegyptischen Texten für die besiegten Barbarenländer nicht selten gebrauchte Wort Fnchu wieder als Phoeniker erklä ren, schwerlich mit Recht: Φοίνικες und Fnchu haben nichts gemein als das n; überdies ist ersteres wahrscheinlich griechischen Ursprungs. Fnchu ist ein Epitheton, das etwa »unterworfene, gefesselte« bedeutet (so W. M. MÜLLER, Asien und Europa 208f. und MASPERO; vgl. auch HALL rec. 34, 35f.).


254. Im Süden ist Nubien zum Teil schon von Cha'sechem (§ 214) und Ẕoser (§ 230) unterworfen worden, vielleicht bis zur Südgrenze des Zwölfmeilenlandes bei Maḥarraqa (Hierasykaminos). Seit Snofru (§ 232) dringen die Aegypter gegen die Neger vor, die jetzt die herrschende Bevölkerung Unternubiens geworden sind. Daher kommt denn auch der Lokalgott der Nubier ṬeṬwen in den Pyramidentexten recht häufig vor. Razzias werden immer von neuem vorgekommen [210] sein; so findet sich ein Siegesdenkmal des Unas auf Elephantine. Unter der sechsten Dynastie wird dann die aegyptische Herrschaft bis zum zweiten Katarakt ausgedehnt (§ 265). Die unterworfenen Stämme sind nicht nur zur Heeresfolge verpflichtet, sondern stellen dem König auch zahlreiche geworbene Soldaten und Polizisten (vgl. § 274), die als »pacifizierte Neger« bezeichnet werden und in den Ortschaften der aegyptischen Bauern sehr herrisch auftreten dürfen, soweit diese nicht durch besondere Privilegien geschützt sind. – Auf dem Roten Meer ist der Verkehr mit Punt (§ 229) in dauerndem Gange; er ist aber offenbar Regal und wird nur vom Pharao selbst betrieben. So werden im letzten (13.) Jahr des Saḥurê' als Erträgnisse aus dem Mafkatlande (den Sinaiminen, § 212) und aus Punt 80000 Myrrhen und andere edle Hölzer, sowie Gold gebracht; in seinem Grabtempel führen ihm die Götter außer gefangenen Libyern und Asiaten auch zahlreiche Puntier zu. Aus einer Urkunde Pepis II. (§ 265) ersehen wir, daß unter Asosi »der Kanzler des Gottes« (§ 241) Bawerṭeṭ einen Zwerg (ṭaneg), wie man ihn für religiöse Tänze brauchte, aus Punt nach Aegypten gebracht hat.


Über die Neger s, vor allem den Erlaß Pepis I. § 244 A.; ferner die Unainschrift Zl. 15f. und SETHE, Urk. des A. R. S. 110; ferner § 265. – Unas in Elephantine: SETHE 1. c. 69 (Petrie, Season 12, 312). – Saḥurê': Palermostein rev. Z. 4. Asosi: Inschrift des Ḥrichuf (§ 265) d Zl. 7f. Beamte des Saḥurê' und Asosi in Nubien: WEIGALL, Antiquities of Lower Nubia pl. 56, 1 – 3 = 58, 28-30.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 81965, Bd. 1/2, S. 208-211.
Lizenz:
Kategorien: