Kontrollorgane. Reichsstraßen

[61] In die Reichsverwaltung greift der König ein, wo es ihm geeignet scheint oder wo eine Angelegenheit vor ihn gebracht wird; daß ein regelmäßiger Instanzenzug nicht befolgt wurde, lehren die Gadatasinschrift wie die Verhandlungen über den Mauerbau von Jerusalem. Je ausgedehnter das Reich, je mächtiger die Stellung der Statthalter war, um so nötiger war es, Einrichtungen zu schaffen für die Aufrechterhaltung der Reichseinheit und die rasche und unweigerliche Durchführung der königlichen Befehle. Dem Zusammenhalt des Reichs dienen die großen in Susa zusammenlaufenden Straßen, welche es in Anlehnung an die älteren Verkehrswege in allen Richtungen durchziehen. Eine von ihnen, die »Königsstraße« von Ephesos und Sardes nach Susa ist uns genauer bekannt92. Es ist die alte Handelsstraße, welche von Sardes im Hermostal aufwärts in das nordphrygische Plateau zu den Königsstädten [61] am Sangarios und von hier über den Halys nach Pteria in Kappadokien führte (Bd. III2 S. 337 und jetzt über den Euphrat durch Armenien und Assyrien am Tigris entlang bis Susa fortgeführt ward. Eine andere Straße ging von Babylonien durch die Zagrosketten am Fels von Bagistana vorüber nach Egbatana und von hier an die baktrische und indische Grenze. Auch quer durch Kleinasien, vom Golf von Issos nach Sinope, ging eine direkte Route93. Andere Straßen führten von Persien nach Kolchis (u. S. 98f.), von Tarsos durch die Amanospässe nach Syrien. Dazu kommt die alte palästinensische Küstenstraße nach Ägypten und der von Syrien durch das nördliche Mesopotamien nach Assyrien führende Handelsweg, ferner die direkte Route den Euphrat abwärts durch die mesopotamische Wüste nach Babylon, die in der Furt von Thapsakos den Euphrat überschritt (Bd. III2 S. 174. Diese Straßen waren nach Parasangen (zu 3/4 Meilen) vermessen94 und wurden immer in gutem Stande gehalten; auf der Königsstraße lagen in Abständen von durchschnittlich etwa drei Meilen an den Stationen »königliche Posthaltereien und vortreffliche Gasthäuser« (σταϑμοί τε πανταχῇ εἰσι βασιλήιοι καὶ καταλύσιες κάλλισται Herod. V 52). An den Grenzen der Provinzen und an den Flußübergängen lagen Befestigungen mit starker Besatzung (πύλαι), ebenso z.B. an der Grenze Babyloniens gegen die mesopotamische Wüste. Hier wurde scharfe Kontrolle über den Verkehr geübt95. An allen Stationen waren berittene Postboten bestellt zur raschesten, bei Tag und Nacht ununterbrochenen Beförderung der königlichen Befehle und der Regierungsdepeschen, »schneller als die [62] Kraniche«, wie die Griechen sagten96. Auch eine Telegraphie durch Feuersignale soll es gegeben haben.

Zur Kontrolle der Satrapen entsendet der König möglichst häufig höhere Beamte, wie das »Auge« des Königs oder seinen Bruder oder Sohn, mit Truppenmacht in die Provinzen (Xen. Cyr. VIII 6, 16; oecon. 4, 8), die unangemeldet die Verwaltung inspizieren und über Mißstände berichten. Auch der dem Statthalter beigegebene königliche Sekretär (o. S. 42) und die Festungskommandanten und Offiziere in der Provinz bilden Aufsichtsorgane gegen Umtriebe der Satrapen. Dazu kommt ein ausgebildetes Spioniersystem; Denunziationen werden vom König unbedenklich entgegengenommen (Xen. Cyrop. VIII 2, 10f.; vgl. o. S. 39, 3). Den eigentlichen Kitt des Reichs aber bildet das Nationalgefühl der Perser in der Provinz und ihr fester Zusammenhalt den Untertanen gegenüber. Solange der König der Treue seines Volkes und seiner Großen gewiß ist, solange er bei den Truppen unweigerlichen Gehorsam findet, auch wenn er, wie bei der Beseitigung des Orötes (Bd. III2 S. 197, befiehlt, den hochverräterischen Satrapen niederzustoßen, in dessen Dienst sie stehen, so lange ist das Reich gegen jede Gefahr gesichert. Sobald diese Bande sich lockern, tritt die Schwäche des ungeheuren Reichs hervor und der Zersetzungsprozeß beginnt.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1, S. 61-63.
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