Spiegel

[925] Spiegel, aus lat. speculum, von Glas kannte das Altertum nicht, wohl aber solche aus blank poliertem Metall, Bronze, Stahl oder Silber. Das Glas, in seiner Verwendung zu Fensterscheiben schon längst bekannt, kam in dieser Eigenschaft nicht vor dem 12. oder 13. Jahrhundert zur Anwendung und zwar in kleinen, meist runden, zierlich gefassten Handspiegeln, die namentlich von Frauen um den Hals oder am Gürtel getragen wurden. An der Stelle des Quecksilberbeleges findet sich ein Aufguss von Blei, Zinn oder Harz. Das Quecksilberamalgam kam zu Ende des 16. Jahrhunderts auf, und[925] dadurch erhielt der Glasspiegel erst seine Vorzüge, durch welche er den Metallspiegel verdrängte. Doch hielt er sich, was seine Ausdehnung anbelangte, noch immer in sehr bescheidenem Masse, denn Glastafeln von mehr als zwei Fuss Seite zu machen, war noch eine Unmöglichkeit. An der Umrahmung aber wurde nichts gespart, in Schnitzerei, Parqueterie, Metallarbeit, Bemalung, Vergoldung und Einfügung von köstlichen Steinen.

Der Spiegel ist das Symbol der Selbstprüfung, des Gewissens, daher die Sittenprediger ihre Werke gern nach demselben benannten: Sachsenspiegel, Schwabenspiegel, Laienspiegel, Heilsspiegel, Spiegel deutscher Leute, Klagspiegel, Spiegel der Rhetorik, Ritterspiegel, Speculum humanae salvationis, Speculum morum, Speculum puerorum, Speculum universale. In der Renaissance wird der Spiegel das Emblem der Wahrheit. Vgl. Wackernagel, kl. Schriften, Bd. 1. Über die Spiegel im Mittelalter.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 925-926.
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