Calas

[755] Calas, Jean, ein reformirter Kaufmann in Toulouse, durch den an ihm verübten Justizmord berühmt. 1761 nämlich erhängte sich aus Schwermuth ein Sohn des C., das Gerücht, er habe ihn erwürgt, weil derselbe dem Beispiele eines Bruders folgen und kath. werden wollte, wurde dadurch, daß Geistliche dem Selbstmörder einige Leichenfeierlichkeiten veranstalteten, verstärkt und veranlaßte die Gerichte, den bisher unbescholtenen 67jährigen C. mit seiner Familie gefänglich einzuziehen. Das Parlament zu Toulouse verurtheilte ihn mit 8 gegen 5 Stimmen und er wurde am 9. März 1762 gerädert, wiewohl er selbst auf der Folter kein Geständniß abgelegt hatte u. bis zum letzten Augenblicke seine Schuldlosigkeit betheuerte. Seine Familie floh nach Genf, der in Ferney lebende Voltaire schrieb sein »mémoire de Donat Calas« 1762 und den »Traité sur la tolérance«, Paris 1763 und bewirkte zumeist. daß C.s Prozeß durch 50 Richter revidirt wurde. 1765 erklärte das Pariser Parlament den Hingerichteten für unschuldig, der König gab der Familie desselben das eingezogene Vermögen zurück und 30000 Livres dazu, doch das Parlament zu Toulouse und die Anstifter des Prozesses ließ man in Ruhe; die grauenhafte Geschichte aber wurde von Schriftstellern, Dichtern, Malern u.s.w. über ganz Europa verbreitet und vielfach als Angriffswaffe gegen die Kirche benutzt.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 755.
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