Constitution [3]

[199] Constitution (in medicin. Beziehung), bezeichnet die Körperverfassung des Menschen; im engeren Sinne begreift man darunter die des Einzelmenschen (C. individualis), im weiteren die allgemeinere (C. generalis u. universalis), einer größeren Anzahl von Menschen durch gemeinschaftliche äußere Einflüsse gemeinsam zukommende. Durch beide wird eine mehr oder minder ausgeprägte (individuelle oder gesellschaftliche) Neigung oder Anlage zu gleichartiger Erkrankung bedingt. – Die Haupttypen der individuellen C. werden theils nach dem Kräftemaß, Körperbau und Ernährungszustande in die starke (robuste), schwächliche (debile), schwindsüchtige (phthisische), vollblütige (plethorische), blutleere (anämische) etc., theils nach der Erregbarkeit in die reizbare (erethische) oder träge (torpide), theils nach dem Vorwiegen der Hauptbildungssysteme in die arterielle, venöse, nervöse, lymphatische (scrophulöse) etc. unterschieden. Diese eigenthümlichen Körperverhältnisse sind bald angeboren, bald durch Alters- etc. Entwickelungen und besondere Lebensweisen erworben, u. können ebenso durch passende Lebensweise in relativ gesundem Maße erhalten oder beschränkt, wie umgekehrt durch verkehrte Lebensordnung zur wirklichen Krankheit gesteigert werden. – Die gesellschaftlichen (allgemeinen Krankheits-) C.en entstehen folgendermaßen: Es läßt nämlich der menschliche Körper gewisse Modificationen seiner Einrichtung u. seines Haushalts durch vermehrte oder verminderte Thätigkeit eines od. mehrer Organe (Lungen, Nieren, Haut, verschiedene Parthien des Darmcanals und seiner Anhänge etc.) zu. Hierdurch ist er fähig, sich allmälig mehr od. weniger den äußeren Einwirkungen (topographischen Einflüssen, Klima, Witterung, Jahreszeit etc.) zu accommodiren. Dennoch verleihen diese der Außennatur entsprechenden Körper- und Lebensveränderungen ihm mit dem besonderen Thätigkeitszug nach bestimmten Organen auch die erhöhte Anlage, gerade in dieser vorwiegenden Richtung (z.B. an catarrhalischen, rheumatischen, gastrischen Affectionen), besonders bei schroffem Wechsel od. intensiver äußerer Einwirkung, zu erkranken. Diese gemeinschaftlichen Außenverhältnisse u. ihre Rückwirkungen im Körper (C. catarrh., reumat., gastrica) treten nun bald stetig beharrend auf, wie bei localen z.B. durch Sümpfe characterisirten (C. endemica), und klimatischen. (C. climatica); bald regelmäßig wiederkehrend, als jahreszeitliche (C. annua), bald durch außergewöhnliche Umstände (besondere Stellungsveränderungen der Erde zu anderen Gestirnen, vulkanische Vorgänge in der Erde, ungewöhnliche Witterungs-, Vegetationsgestaltungen, und selbst politische Zustände, wie z.B. Kriege) bedingt, sich oft über ganze Länderstrecken und deren Bevölkerung ausdehnend als C. epidemica im engeren Sinne. – Stehend nennt man solche gemeinsame Krankheits-C. (C. stationaria), wenn ihre Eigenartigkeit unter einer Bevölkerung mehrere Jahre andauert, was der gleichartigen Witterungscharakteristik (trocken, feucht, warm, kalt) einer größeren ununterbrochenen Reihe von Jahren zugeschrieben wird. – Es liegt selbstverständlich bei den individuellen wie den [199] allgemein herrschenden Constitutionen od. sie bedingenden äußeren Ursachen (z.B. beim Wechsel des Klimas durch Auswanderung etc.) in dem Interesse jedes Einzelnen, sich über die zu solchen Verhältnissen passende Lebenseinrichtung belehren zu lassen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 199-200.
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