Friedrich Wilhelm [1]

[809] Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, der große Kurfürst genannt, geb. den 6. Febr. 1620, trat 1640 die Regierung an, als Brandenburg mit Schweden in einen nachtheiligen Krieg verwickelt war; er machte Frieden u. blieb neutral bis zum westfäl. [809] Friedensschlusse, in welchem er einen Theil von Hinterpommern, die Grafschaft Hohenstein, die Bisthümer Halberstadt, Minden und Kamin und gegen die Ansprüche des mächtigeren Sachsen die Anwartschaft auf Magdeburg erhielt, die er bald darauf durchzusetzen wußte. 1647 beendete er durch einen Vertrag mit Pfalz-Neuburg den Jülichʼschen Erbschaftsstreit und benutzte die Unmacht des zerrütteten Polens zu weiteren Erwerbungen; er half dem schwed. Könige Karl Gustav die 3tägige Schlacht von Warschau gewinnen, zog sich aber sogleich zurück, als Polen im Vertrag zu Wehlau (19. Sept. 1657) der Oberlehensherrlichkeit über Preußen entsagte. Den Widerstand des preuß. Adels und der Städte brach er und führte die unumschränkte Regierungsform ein, verwaltete aber seine Länder so gut, daß er im Stande war, ein verhältnißmäßig starkes Heer zu unterhalten, welches in Ungarn gegen die Türken, in Holland, der Pfalz und dem Elsaß gegen die Franzosen focht. Wenn der Kurfürst dem übermächtigen Ludwig XIV. nicht Einhalt zu thun vermochte, so zeigte er sich doch als ein so gefährlicher Gegner, daß der franz. König die Schweden zu einem verheerenden Einfall in die Mark Brandenburg bewog; allein F. W. überfiel eine schwed. Abtheilung in Rathenow, schlug das schwed. Heer (18. Juni 1675) entscheidend bei Fehrbellin, später bei Wolgast, nahm Stettin, Stralsund, Greifswalde und drang bis Riga vor, konnte jedoch im Frieden 1679 wegen der Gegenwirkung Frankreichs seine Eroberungen nicht behaupten. Einige Zeit war er mit dem Kaiser sehr gespannt und knüpfte eine gefährliche Verbindung mit Frankreich an, die sich jedoch wieder zerschlug. Auch die innere Ordnung seines Staats drohte er zu vernichten, indem er seine Kinder aus zweiter Ehe auf Kosten seines Sohnes aus erster Ehe, des nachmaligen Königs Friedrich I., auszustatten suchte. Als er aber am 29. April 1688 gestorben war, stieß Friedrich das Testament um und behauptete mit Unterstützung des Kaisers die Untheilbarkeit des Erbes. F. W. ist der Begründer des militär. Geistes in Preußen, so wie er auch jenen Geist der Ordnung in die preuß. Staatsverwaltung brachte, der, wenn auch zeitweise unterbrochen, sich immer wieder geltend machte; ebenso beförderte er durch die Aufnahme vieler verbannter Hugenotten die Industrie und Handelsthätigkeit. Er schuf selbst eine Seemacht, durch welche er die Spanier in den amerik. Gewässern bekämpfte, und legte Colonien in Afrika an, Unternehmungen, die jedoch keine weiteren Folgen hatten. Mit F. W. beginnen die großen preuß. Traditionen, welche den Staat schon mehr als einmal gerettet haben.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 809-810.
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809 | 810
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