Rechtfertigung

[677] Rechtfertigung d.h. die Gerechtigkeit des Menschen vor Gott, wurde vom Judenthum in die Erfüllung aller Vorschriften des Gesetzes gelegt und vorherrschend äußerlich aufgefaßt. Uebrigens lag bereits den jüdischen Opfern der Gedanke zu Grunde, alle Schuld könne nur durch Gott getilgt werden, der Mensch bringe es durch sein sittliches Thun nur zu einer mangelhaften Gerechtigkeit und das sittliche Thun müsse mit Sühnopfern [677] verbunden werden, um vor Gott wohlgefällig zu machen. Das Christenthum lehrt, Gott habe gerade deßhalb die Erlösung in Christo angeordnet, weil es dem sündigen Menschen schlechthin unmöglich sei, die Gerechtigkeit aus sich selbst zu wirken, und lehrt näher, die R. bestehe in der: 1) Nachlassung der Sündenschuld und Strafe durch Anrechnung der genugthuenden Verdienste Christi; 2) in der Heiligung od. sittlichen Wiedergeburt des Menschen, in Folge deren er nicht blos von Gott als gerecht angesehen wird, sondern es auch in der That ist; vgl. Erbsünde, Gnade. Der symbolische Protestantismus kennt nur eine R. durch den Glauben; dieselbe besteht im Glauben des Menschen, daß ihm um der genugthuenden Verdienste Jesu Christi willen alle Sünden erlassen seien, sowie daß Gott den gläubigen Christen für gerechtfertigt ansieht um seines Glaubens willen. Nach der Ansicht der Reformatoren ist der Glaube alles in allem, der Mensch vermag durch eigenes Thun weder für noch gegen seine R. zu handeln, die Begriffe von guten u. bösen Werken fallen überhaupt weg. Der Grund dieser alle Sittlichkeit aufhebenden Meinung lag in der Leugnung der Freiheit des Menschen und aus derselben Quelle floß die scharfe und mitunter haarsträubende Art und Weise, wie Luther, Amsdorf, Beza u.a. sich über die Gleichgültigkeit des Thuns der getauften und gläubigen Christen aussprachen. Vgl. Prädestination.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 677-678.
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