Erbsünde

[587] Erbsünde, Sünde des Menschengeschlechtes, peccatum hereditarium originale oder naturae, nennt man den Antheil, welchen jeder einzelne Mensch an der ersten Sünde unserer Stammeltern trägt und mit zur Welt bringt. Weil Gott aus Einem Blute das ganze Menschengeschlecht gemacht hat, deßhalb war Adams Sünde die aller seiner Nachkommen, von denen jeder als ein todeswürdiger Sünder geboren wird (Apg. 17, 26–30 und Röm. 5, 12). Die Folgen der E. sind der Verlust der heiligmachenden Gnade Gottes und der übernatürlichen ewigen Seligkeit, die Empörung der Natur gegen den Menschen und zwar der Natur in ihm, der Kampf des Fleisches gegen den Geist, und der Natur außer ihm, endlich der Tod. Ueber die Natur der E. sowie über die Art und Weise, wie dieselbe in uns sei, hat die Kirche nichts festgesetzt, obwohl die E. eine Hauptlehre des Christenthums ist, Adam und Christus als Hauptangelpunkte des Entwicklungsganges der Menschheit betrachtet werden und die E. ihren Ausdruck im uralten Gebrauche der Kindertaufe und der damit verbundenen Exorcismen fand. Pelagius leugnete die E., erklärte die menschliche Natur für rein u. den Tod für naturnothwendig. Gegen ihn trat Augustinus auf und schrieb: »Nicht ich habe die E. erfunden, sie ist vielmehr Gegenstand des kathol. Glaubens von Alters her!« – Dem Pelagianismus trat 416 die Kirche durch die Synoden von Mileve in Afrika und die 2. von Arausio (Orange) in Gallien 529 entgegen und die Bestimmungen der letztern hielt das Tridentinerconcil fast wörtlich fest. Die E. ist eigentliche, innewohnende Sünde, aber nur hinsichtlich der ersten Menschen Thatsünde, ein Akt persönlicher Freiheit, weßhalb die Kirche von uns keine eigentliche Reue über die E. fordert und den Zustand derselben mit dem Aufkommen einer natürlichen Erkenntniß u. natürlichen Liebe zu Gott verträglich hält. Der Protestantismus hingegen entwickelte, den hl. Augustin mißverstehend, dessen Grundlehren in schroffster Form bis zur Prädestinationstheorie, welche wesentlich beitrug, den protestant. Lehrbegriff in tausendköpfige Meinungen zu zersplittern.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 587.
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