Ritterpoesie

[735] Ritterpoesie, heißt die höfische oder Kunstdichtung des Mittelalters im Gegensatz zur Volksdichtung, weil sie unter dem Schutze der Höfe vorherrschend von adeligen Dichtern geübt wurde, ein Spiegel des Ritterthums u. deßhalb von Kampflust, Gottes- u. Frauenliebe durchweht war. Sie verachtete die Volksdichtung u. erscheint dafür in allen Ländern hinsichtlich ihres Charakters und Stoffes so ziemlich über denselben Leisten geschlagen. Die deutsche R. blühte auf 1150 bis 1185, feierte ihr goldenes Zeitalter 1185–1210 u. sank von 1240–1330 sehr rasch, da sie durchaus bei ihren alten Stoffen bleiben wollte und nichts neues mehr daraus zu schaffen vermochte. Füglich läßt sich die R. unterscheiden 1) als Heldendichtung, welche sich mit antiken Stoffen (Alexander d. Gr., Aeneas), der Karlssage (Rolandslied, Flore und Blanscheflur), Gral- u. Artussage (Parcival, Titurel, Lohengrin, Tristan und Isolt, Wigalois, Lanzelot u.s.w.) u. nicht minder mit Legenden (Christus, Maria, die Heiligen), Erzählungen (der arme Heinrich, der gute Gerhard etc.), Chroniken (Rudolf von Ems, Ottokar von Horneck), Schwänken (Salomon und Morolf, Amis), der Thiersage u. Fabel (Heinrich der Glichesäre) befaßte. Ferner steht die R. auf ihrem Höhepunkte durch den 2) Minnegesang (s. Minne, Minnegesang) u. ist wohl am schwächsten 3) als Lehrdichtung (Freidank, Thomassin von Zerkläre, Hugo von Trimberg, König Tirols Lehren, der Windsbecke und die Windsbeckin).

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 735.
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