Savonarola

[54] Savonarola, Girolamo, der Lamennais seiner Zeit, Volksredner wie wenige, der aufrichtigsten Begeisterung fähig u. dabei mit den besten aber auch mit den schlimmsten Eigenschaften eines Volksagitators ausgerüstet, geb. 1452 zu Ferrara aus einer wohlhabenden Familie, sollte Arzt werden, trat aber zu Bologna in den Dominikanerorden; bald lehrte er Naturphilosophie u. Metaphysik mit Auszeichnung, predigte aber lieber und vertiefte sich in die Bibel u. ascetische Schriften, namentlich in die Offenbarung Johannis. Seit 1489 durch den Grafen Pico von Mirandola im Kloster San Marco zu Florenz lebend, predigte er immer gewaltiger und rücksichtsloser davon, wie eine Erneuerung der Kirche Christi noth thue und nahe bevorstehe, wie Italien aber vorher noch von den Strafgerichten Gottes getroffen würde, u. trat durch Wort u. That den Mediceern immer offener u. schroffer entgegen. S. hatte bereits 1483 die Fastenpredigten in Florenz als Gast gehalten und mit seiner tiefernsten, düstern und volksthümlichen Beredsamkeit bei der heitern und classisch gebildeten vornehmen Welt von Florenz wenig Anklang gefunden, aber jetzt gewann er Einfluß bei allen Gegnern der Mediceer u. vor allem beim gemeinen Manne. Vom sterbenden Lorenzo von Medici forderte er die Zurückgabe der alten republikanischen Verfassung vergeblich, vereinigte aber nun San Marco mit andern Klöstern zu einer besondern Congregation und drang auf Erneuerung der alten Regel in ihrer ganzen Strenge, [54] um so eine Reform des Clerus, der Kirche und der politischen und socialen Zustände einzuleiten. Der Eroberungszug Karls VIII. von Frankreich 1494 durch Italien, in Folge dessen die Medicieer aus Florenz fliehen mußten, war S.s Unglück; er begrüßte den Franzosenkönig als den ersehnten gottgesandten Reformator und begann nach dem Abzuge der zügellosen Schaaren desselben als Haupt des Volkes den Staat nach dem Muster der altisraelischen Theokratie umzugestalten. Allein die eiserne Strenge seiner Sittenpolizei behagte den Massen nicht lange, die Mediceer hatten Anhänger genug zurückgelassen, Papst Alexander VI. erließ Citationen nach Rom und endlich eine Bannbulle, zumal S. ihm offenen Ungehorsam und Verunglimpfungen von der Kanzel herab entgegensetzte. Am 12. Mai 1497 wurde die Bulle erlassen, am 1. April 1498 saß bereits eine dem Volksagitator meist feindlichgesinnte Signorie am Ruder von Florenz, schon am 8. führte ein Volksaufstand zur Verhaftung S.s, die Verdammung von Rom aus ließ nicht lange auf sich warten, am 23. Mai wurde er zuerst gefoltert, dann mit seinen Ordensbrüdern Dominik und Sylvester Maruffi gehenkt, der Leichnam verbrannt. Nur die Predigten von S. stehen im Index u. zwar mit dem Beisatze: donec corrigantur, seine dogmatischen u.a. Schriften haben nichts mit der deutschen Reformation zu schaffen. Unter den Lebensbeschreibern (gegen ihn: der Chronist Burchard, A. Catharinus u.a.m., für ihn: Pico von Mirandola, einige Dominikaner u.a.m.) halten Raynald u. Spondanus die richtige Mitte noch am besten.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 54-55.
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