Durchsichtigkeit [1]

[176] Durchsichtigkeit, a) der Luft, b) des Wassers.

a) Gegenstände, die in einer gewissen Entfernung von dem Beschauer sich befinden, werden von diesem nicht mehr deutlich gesehen, wenn auch die Distanz noch nicht so groß ist, um bereits den Einfluß der Erdkrümmung hervortreten zu lassen. Dies rührt daher, daß die Luft nicht vollkommen, sondern nur bis zu einem gewissen Grade durchsichtig ist. Es ergibt sich demgemäß die Aufgabe, mit Hilfe besonderer Apparate den Durchsichtigkeitsgrad der Atmosphäre zu ermitteln. Die Grundlage zu diesen Untersuchungen wurde von Lambert [1] gelegt; später sind das Saussure-Schlagintweitsche Diaphanometer [2] und Wilds polaristrobometrische Methode [3] sehr in Aufnahme gekommen. Jenes Instrument besteht lediglich aus zwei schwarzen Tafeln, auf denen weiße Kreise von den Halbmessern r < R angebracht find; diese Tafeln werden nun in gerader Linie so lange vom Beobachter entfernt, bis dieser zuerst den kleineren und nachher auch den größeren Kreis aus dem Auge verliert. Diese Entfernungen sollen e und E fein; wäre dann die Luft absolut durchsichtig, so bestünde die Proportion r : R = e : E. In Wirklichkeit ist jedoch E nicht gleich, sondern kleiner als e R/r. Wenn die kleine Scheibe in der Entfernung 1 und bei vollkommener Durchsichtigkeit die Lichtmenge i aussenden würde, so wäre, unter a den Durchsichtigkeitskoeffizienten verbanden, (i · ae) : e2 nach bekannten photometrischen Grundsätzen, die tatsächlich aus der Entfernung e dem Auge zugesandte Lichtmenge. Sind also e1 und E1 diejenigen Abstände, in denen die Scheiben gerade verschwinden, so bestehen die Relationen:


Durchsichtigkeit [1]

H. Schlagintweit stellte seine Messungen im Hochgebirge an und fand, daß dort, wo freilich dünne und reine Luft vorherrscht, etwa ein Zehntel der Lichtstärke der Absorption zum Opfer fällt. In den Niederungen steigt dieser Betrag rasch an, denn Wild bekam für a den Wert 0,434. – Die theoretische Seite des Problems hat neuerdings Trabert [4] wesentlich gefördert, indem er den Absorptionsbetrag unter der Voraussetzung herleitete, es seien in dem von den Strahlen zu durchdringenden Medium kugelförmige Teilchen von bestimmten Größenverhältnissen suspendiert. Anderseits sind aus L. Webers (Kiel) Schule mehrere wertvolle Arbeiten hervorgegangen[176] [5], durch welche die bei Schlagintweit immerhin stark vom subjektiven Ermessen abhängige Bestimmung des Transparenzkoeffizienten exakter gestaltet und somit eine erhöhte Genauigkeit, auch bei sehr stark wechselndem Diaphanitätsgrade, zu erzielen ermöglicht worden ist.

b) Für Wasser macht man zumeist von den sogenannten Versenkungsscheiben Gebrauch, deren Anwendung bereits ins 18. Jahrhundert zurückgeht, systematisch aber erst von Pater Secchi erörtert wurde [6]. Natürlich liefert dieses Verfahren nur eine obere Grenze; die untere Grenze, bei der jedwede Wirksamkeit der in das Wasser eingedrungenen Lichtstrahlen aufhört, liegt, wie zuerst durch das von Soret [7] betätigte Einsenken photographischer Platten dargetan wurde, ganz ungleich tiefer. Ausgedehnte Erfahrungen darüber publizierten die Mitglieder der »Pola«-Expedition [8]; für Binnenseen gewähren die Studien De Agostinis [9] wichtige Anhaltspunkte. – Verschiedene Gewässer haben einen verschiedenen Extinktionsgrad; die Jahreszeiten und überhaupt der Temperaturzustand üben wesentlichen Einfluß aus. Je reiner blau das Wasser ist, in desto größerer Tiefe verschwindet nach Forel [10] die Sinkscheibe, was leicht erklärlich erscheint, insofern andre Färbungen stets auf das Vorhandensein einer Trübung durch Fremdkörper hinweisen.


Literatur: [1] Lambert, Photometria sive de mensura et gradibus lucis, colorum et umbrae, Augsburg 1760, S. 380 ff. – [2] Schlagintweit, A. und H., Durchsichtigkeit der Atmosphäre und Farbe des Himmels in größeren Höhen in den Alpen, Ann. d. Phys. und Chem., Bd. 84, S. 340 ff. – [4] Wild, Ueber ein neues Photometer und Polarimeter, ebend., Bd. 99, S. 235 ff. – [4] Trabert, Die Extinktion des Lichtes in einem trüben Mittel, Meteorol. Zeitschr., Bd. 18, S. 518 ff. – [5] Michalke, Untersuchungen über die Extinktion des Sonnenlichtes in der Atmosphäre, Breslau 1886; Masch, Intensität und atmosphärische Absorption aktinischer Sonnenstrahlen, Kiel 1901; Haecker, Bestimmung des Transparenzkoeffizienten des Nebels und der zugehörigen Sichtweite, Kiel 1905. – [6] Secchi, Sur la transparence de la mer, Mondes 1865, S. 645 ff. – [7] Soret, Sur la Polarisation et la couleur bleue de la lumière réfléchie par l'eau ou par l'air, Ann. des sciences phys. et nat., Bd. 37, S. 129 ff.; Bd. 39, S. 352 ff. – [8] Luksch-Wolf, Ozeanographische Untersuchungen im östlichen Mittelmeer, Sitzungsberichte d. Akad. zu Wien, Math.-naturw. KL, 9. Oktober 1890. – [9] Agostini, De, Scandagli e ricerche fisiche sui laghi dell' anfiteatro morenico d'Ivrea, Turin 1894; Sulla temperatura, colorazione e transparenza di alcuni laghi Piemontesi, ebend. 1895. – [10] Forel, Étude sur les variations de la transparence des eaux du Lac Léman, Comptes rendus de l'Académie Française, Bd. 89, S. 859 ff.

Günther.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 176-177.
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