Gabel [2]

[232] Gabel, ein in zwei Glieder auslaufendes Stangenende.

In der Regel sind beide Glieder symmetrisch gestellt und sitzen mit ihren Augen auf einem Gelenkbolzen (s. Gabelzapfen), entweder lose drehbar (Fig. 1) oder fest (Fig. 2) (vgl. Pleuelstangen); seltener kommen einseitige Gabeln vor, wie bei den an einer Kulisse angreifenden Exzenterstangen (Fig. 3).

Man pflegt die Gabelarme nach der in Fig. 1 angegebenen Lage der Kräfte zu berechnen: Die Spannung s in einem beliebigen Querschnitt wird bestimmt als Summe der Zugspannung σ und der Biegungsspannung ß; dabei findet man σ aus der Normalkraft Pn = b h σ mit Pn = 1/2 P cos α, wogegen die andre Seitenkraft sowie die zugehörige Schubspannung in der Querschnittsebene zu vernachlässigen ist, und die Spannung ß aus dem Moment 1/2 Pa = 1/6 b2 h ß mit a als Querabstand von Mitte Auge bis Mitte Querschnitt. – Für die als Beispiel im Maßstab 1 : 10 gezeichnete Sicherheitskupplung von Eisenbahnwagen (Fig. 1) für P = 3000 kg Zugkraft am Haken, bei den Abmessungen h = 3,6 cm, b = 4 cm, a = 3,5 cm mit Pn = 1200 kg erhält man σ = 83 und ß = 547, daher die Beanspruchung s = 630 kg qcm. In den parallelen Strecken der Arme würde, in gleicher Weise berechnet, neben σ = 1500/l,4 · 3,6 = 300, die Biegungsspannung ß = 1500 · 0,5 cm 6/1,42 · 3,6 = 637, also die Beanspruchung s = 937 auftreten. Diese Berechnung gibt aber zu große Spannungswerte an. Infolge der Verbiegung der Arme unter dem in Rechnung gesetzten Moment müßte jedenfalls die Mittelkraft des Auflagerdruckes im Auge näher nach dem inneren Rande hin rücken, so daß bei einer Verschiebung der Kraft um 0,5 cm ß = 0 wäre und s bis auf 300 zurückgehen könnte. In gleichem Sinne wird sich auch die seitliche Biegung der Exzenterstange (Fig. 3) infolge ungleicher Verteilung der Kraft auf die beiden Augen etwas günstiger gestalten, als die einseitige Kraftwirkung rechnungsmäßig unter Vernachlässigung der elastischen Formänderung angibt.

Wenn beide Augen auf einem gemeinsamen Bolzen festsitzen, wie bei der Pleuelstangengabel (Fig. 2), ist das System ganz unbestimmt. Man gelangt hierbei zu angemessenen Querschnittswerten bei normaler Beanspruchung von 300 kg/qcm, indem man die Kraft 1/2 P/cos α von dem Auge in schräger Richtung zum Stangenschaft übergehend einzeichnet – freilich nicht ohne[232] einige Willkür in der Wahl der Lage, die allenfalls für Zug (P1) und Druck (P2) verschiede angenommen werden kann – und danach den Abstand a1 und a2 der Kraftrichtung von de Schwerpunktslinie des Gabelarmes entnimmt, um damit die Rechnung wie vorher durchzuführen.

Zur Herstellung einer Scharniergabel (Fig. 4) wird ein stärkeres Quadrateisenstück gelocht, bis aus Ende aufgeschrotet, über einem Dorn passend aufgetrieben, am hinteren Teil auf Schaftstärke abgesetzt und ausgestreckt, schließlich nach Maß beschellt. Mit einer Warmsäge läßt sich eine Gabel aus dem Vollen durch zwei Einschnitte und nachfolgendes Abschroten am Grunde bilden. Die Riemengabel (Fig. 1) läßt sich innen besser ausarbeiten, wenn jedes Endglied für sich ausgebildet, danach mit dem andern und mit dem Stiel verschweißt wird. Lange Gabel werden aus Flacheisen oder dergl. gebogen und durch Schweißung mit dem Stiel verbunden Auch hilft man sich durch Vernieten oder Zusammenschrauben der einzelnen Teile.

Lindner.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4., Fig. 5.
Fig. 4., Fig. 5.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 232-233.
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