Aufschlußarbeiten

[55] Aufschlußarbeiten, physikalische, im Bergbau. Nachdem jahrhundertelang die bergmännischen Aufschlußmethoden sich auf reine Schürfarbeiten mit Unterstützung durch geologische Ueberlegungen und Theorien beschränkt hatten, sind im Anfange des 20. Jahrhunderts die Fortschritte der physikalischen Forschungen mehr und mehr für die Aufsuchung von Lagerstätten nutzbarer Mineralien verwertet worden. Die dauernde Erhöhung der Unkosten für Handarbeit jeder Art erzwingt die Heranziehung wissenschaftlicher Methoden auch an dieser Stelle.

Das Prinzip, welches bisher in umfangreichster Weise den physikalischen Aufschlußarbeiten zugrunde liegt, beruht darauf, daß viele Mineralien oder auch die wasserdurchströmten Schichten sich von den gewöhnlichen Gesteinen oder von trockenen Schichten durch ihre starke elektrische Leitfähigkeit unterscheiden. In elektrisch mehr oder weniger leitendem Gebirge benutzt man die Form der Strömungslinien der Elektrizität z Wischen zwei hinreichend weit voneinander entfernten Punkten, in denen der elektrische Strom zugeführt wird, als Anzeichen etwa vorhandener, besonders stark leitender Erzlagerstätten. Beim Zementieren kleinerer Gebirgsteile, beim Abteufen von Schächten u.s.w. prüft man die Verfestigung des Gebirges und deren Fortschritte durch wiederholte Bestimmungen der elektrischen Leitfähigkeit des Mittels zwischen benachbarten Zementierbohrungen.

In nichtleitendem trockenem Gebirge breiten sich die elektrischen Wellen ungehindert aus, und aus der Art ihrer Ausbreitung und aus der Wellenlänge der elektrischen Wellen, welche in das Gestein von in Bohrlöcher eingeführten Antennen ausgestrahlt werden, läßt sich die zwischen weiten Grenzen wechselnde Dielektrizitätskonstante des umliegenden Gesteines bestimmen und zur Identifikation der durchfahrenen Schichten auswerten. Die genaue Untersuchung der elektrischen Schwingungen, welche in Antennen erregt werden, die in der Nähe elektrisch leitender Substanzen ausgespannt sind, nach Schwingungsform und Dämpfung, läßt deren Anwesenheit und Lage in sonst undurchsichtigen, nichtleitenden Gebirgsteilen (Salzlagerstätten, Granitgebirgen u.s.w.) erkennen.

Elektrische Wellen, welche sich in nichtleitendem Gebirge ausbreiten, werden an Flächen nichtleitenden Materials reflektiert und die Rückwirkung der reflektierten Welle auf einen neben dem Sender aufgestellten Empfänger oder auch auf den Sender selbst kann in sehr einfacher Weise zur Feststellung der Lage und der Ausdehnung der leitenden Schichten auf weite Entfernungen hin verwertet werden. So ist in Wüsten die Oberfläche des Grundwassers und ihre Begrenzung von der Erdoberfläche aus, in Kalisalzbergwerken die untere Grenze der Tageswässer von den Strecken aus in großem Umfange nach diesem Verfahren bestimmt worden.

Die Eigenschaft vieler Eisenerzlagerstätten, auf die Größe und Richtung der magnetischen Kraft auf der Erdoberfläche über ihnen infolge ihres starken Eigenmagnetismus Hörend einzuwirken, ermöglicht es, die genaue magnetische Vermessung und Kartierung eines Gebietes zur Aufsuchung von Eisenerzlagerstätten und zur angenäherten Bestimmung ihrer Begrenzung und Mächtigkeit unmittelbar von der Erdoberfläche aus zu verwerten. Solche Untersuchungen sind besonders in Schweden in weitem Umfange praktisch angewendet worden, erfordern aber eingehende geologische Ueberlegungen zu ihrer Sicherstellung.

Die Unterschiede in der Dichte der verschiedenen Mineralien, welche bei Gesteinen zwischen 1,4–5 schwankt und für Erze noch weit höhere Beträge erreichen kann, benutzt das von Eötvös in die Praxis eingeführte Prinzip der Drehwage. Während im allgemeinen auf der Erde die Schwerkraft von dem Aequator nach den Polen hin gleichmäßig zunimmt, ist diese gleichmäßige Veränderung an der Grenze eines Ueberganges von einer leichteren zu einer schwereren Gesteinsart im Erdboden gestört. Mißt man diese Störungen mit Hilfe der Drehwage, welche dafür eine ungeheuer große Empfindlichkeit besitzt, an vielen Punkten, so kann man aus der Gruppierung der Störungen über ein größeres Gebiet die Lage der Begrenzungszone der Gesteinsarten abweichender Dichte gegeneinander festlegen. Das Verfahren besitzt zwar höchste wissenschaftliche Eleganz, ist aber technisch durch die lange Dauer solcher Messungen, welche der Temperaturschwankungen halber bisher nur nachts ausgeführt werden konnten, durch die Menge des erforderlichen wissenschaftlichen Personals und durch die Umständlichkeit der Deutung der Ergebnisse nur in solchen Fällen zweckmäßig, in denen zur Erreichung eines bestimmten Zweckes in geologisch schon angenähert bekannten Gebieten sehr große Unkosten in Kauf genommen werden können.

Die verschiedenen Gesteinsschichten unterscheiden sich durch die Konzentration der in ihnen enthaltenen radioaktiven Substanzen sowie durch deren gegenseitiges Mischungsverhältnis in weiten Grenzen voneinander. Namentlich die Art der Entstehung der Gesteine und die im Laufe der Erdgeschichte mit ihnen vollzogenen Umwälzungen spiegeln sich darin wider. Zunächst dienten die Messungen der radioaktiven Größen zur Aufsuchung der konzentrierten Lagerstätten radioaktiver Mineralien selbst. Erst in neuester Zeit werden die radioaktiven Eigenschaften[55] auch zur Aufsuchung von Trennungslinien verschiedener Gesteinsarten, welche an sich nur technisch gänzlich nebensächliche Beimengungen radioaktiver Substanzen enthalten, benutzt. Für geologische und bergbauliche Zwecke erhalten radioaktive Messungen dadurch Bedeutung, daß in der Nähe von Verwerfungen und vieler Lagerstätten die radioaktiven Größen Harke und charakteristische Unregelmäßigkeiten aufweisen. Auch unter Tage läßt sich auf diese Weise die Annäherung von Strecken an Lagerstätten oder Störungen, die Umgebung von Bohrlöchern, die Annäherung abzuteufender Schächte an die Grenzen der verschiedenen Formationen und in ihrer Konstitution abweichender Schichten in vielen Fällen bereits aus größerer Entfernung feststellen.

Zum Schlusse mag noch auf eine Art von Untersuchungen hingewiesen werden, die sich zum Range einer Wissenschaft noch nicht erhoben hat, welcher aber doch neben sehr vielen Unterteilungen ein wahrer Kern in noch völlig verschleierter Form innewohnen muß. Es sind das die auf physiologischer Grundlage ruhenden Wünschelrutenaufnahmen, mit deren Hilfe durch besonders ausgeprägte Eigenschaften ihres Nervensystemes und namentlich durch langjährige Uebung und Erfahrung befähigte Personen das Vorhandensein von Grundwasser, Lagerstätten, Verwerfungen u.s.w. unmittelbar von der Erdoberfläche aus feststellen können, ohne daß der unbefangene Beobachter oder in sehr vielen Fällen sogar der ausgebildete Geologe selbst aus Kennzeichen an der Erdoberfläche die Anwesenheit dieser Objekte erschließen könnte. Da es sich bei diesen Untersuchungen bis jetzt noch um die rein praktische Verwertung nur subjektiver, im Unterbewußtsein auftretender physiologischer Reaktionen handelt, so leiden diese Untersuchungen an der Unmöglichkeit einer unmittelbaren Nachprüfung an dem Aufnahmeinstrument, dem Rutengänger, selbst. Da sich aber Untersuchungen eines größeren Gebietes mit Hilfe eines Wünschelrutengängers unerreicht viel schneller durchführen lassen, als auf irgendeine andere Weise, so kann man dieses Verfahren dazu verwerten, ein solches größeres Gebiet zunächst oberflächlich auf solche Stellen hin, auf denen sich weitere Nachforschungen voraussichtlich lohnen werden, mit Hilfe dieser subjektiven Methode abzusuchen und dann an den ausgewählten Stellen die genaue Natur, die Lage und die Ausdehnung der dort vermuteten wirtschaftlich wichtigen Dinge auf objektivem, kontrollierbarem Wege mit Hilfe der anderen, oben beschriebenen physikalischen Aufschlußmethoden oder auch auf rein bergmännische Weise zu bestimmen, wodurch sich sehr weitgehende Ersparnisse und die Auffindung sonst vielfach ganz unbekannt gebliebener Lagerstätten ermöglichen lassen.


Literatur: Löwy-Leimbach, Eine elektrodynamische Methode zur Erforschung des Erdinneren, I u. II, Physik. Zeitschr. 1910, S. 697–705, u. 1913, S. 397–403. – G. Leimbach, Elektrische Wellen und Schwingungen zur Erforschung des Erdinneren, I u. II, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1914 u. 1915. – Ders., Physikalische Aufschlußarbeiten im Bergbau, »Glückauf«, Essen 1915, Heft 14. – D. Pekar, Die geophysikalischen Messungen des Barons Roland v. Eötvös, Die Naturwissenschaften, Berlin 1919, VII, S. 149–159. – Schriften des Vereins zur Klärung der Wünschelrutenfrage, Stuttgart (K. Wittwer), Nr. 1–9.

R. Ambronn.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 55-56.
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