Ansatz [2]

[555] Ansatz bei Blasinstrumenten, deren Mundstücke nicht in den Mund genommen, sondern nur vor den Mund gebracht werden: die Stellung der Lippen beim Anblasen. Der A. ist bei der Flöte ein ganz andrer als bei den Blechblasinstrumenten, wo die Lippenränder zugleich die Stelle von Zungen vertreten und daher der A. ein sehr verschiedenartiger sein muß, je nachdem hohe oder tiefe Töne hervorgebracht werden sollen. Der Bläser sagt, er habe keinen A., wenn er nicht völlig Herr seiner Lippen, d.h. aufgeregt, matt etc., ist. – Beim Gesang ist A. die Art und Weise, wie der eine Phrase beginnende Ton hervorgebracht wird, wobei man unterscheidet: a) den A. mit Glottisschluß, bei dem die Öffnung der Glottis (Stimmritze) einen eigentümlichen Gutturallaut (Knack, das hebräische Aleph) dem Ton vorausschickt, und b) den hauchartigen A., bei dem die Glottis leicht geöffnet ist und dem Ton ein schwacher Hauch (spiritus lenis) vorausgeht. Man nennt auch wohl die Stellung der gesamten bei der Tonbildung und Resonanz beteiligten Kehlkopf-, Gaumen- und Mundteile A. und spricht von einem »gaumigen A.« etc. Die Gestalt des Ansatzrohres, d.h. des den Ton der Stimmbänder verstärkenden Hohlraumes vom Kehlkopf bis zu den Lippen, kann auch für denselben Vokal (z. B. für das reine A) sehr verschieden sein, je nachdem die weichen Teile des Gaumens etc. sich stellen. Der Sänger weiß, daß er sein A vorn an den Zähnen singen kann, aber auch ganz hinten am Gaumen, daß ersteres einen »flachen«, letzteres einen »gequetschten« Ton gibt (den eigentlichen Gaumenton), und daß die besten Töne diejenigen sind, die er mitten im Munde fühlt, daß es seine großen Schwierigkeiten hat, einem U, einem hellen E etc. diese Art der Resonanz zu geben, und daß behufs Erzielung einer Einheitlichkeit der Tongebung die Resonanz der Vokale beim Gesang von der beim Sprechen wesentlich abweichen muß. Das sind klare Fingerzeige, die dem Sänger mehr nützen als alle Hypothesen über die Tätigkeit der Stimmbänder.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 555.
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