Antinomīe

[582] Antinomīe (griech., »Gesetzeswiderstreit«), Widerspruch der Gesetze, die Kollision zwischen verschiedenen Gesetzen in ein und demselben Gesetzbuch. In der philosophischen Sprache der Widerstreit zweier an sich gleich berechtigter Begriffe oder Anschauungsweisen. Nach Kant verwickelt sich die Vernunft insbes. dann in Antinomien, wenn sie es versucht, die Gesamtheit der Naturerscheinungen als Totalität, als in sich abgeschlossenes Ganzes zu denken. Es ergeben sich dabei nämlich einander widersprechende Sätze, die doch mit gleich guten Vernunftgründen sich beweisen lassen; so läßt sich der Thesis, daß die Welt in Zeit und Raum endlich sei, die Antithesis entgegenstellen, daß sie in beiderlei Hinsicht unendlich sei; der Behauptung, daß die Materie aus letzten, einfachen Teilen bestehe, tritt die andre entgegen, daß sie ins Unendliche teilbar sei; die Forderung, daß es eine erste, durch nichts andres bedingte Ursache alles Geschehens geben müsse, begegnet der Behauptung, daß jede Ursache in der Welt durch eine vorangegangene in Tätigkeit gesetzt wird. Die Lösung dieser Widersprüche ist nach Kant nur dadurch möglich, daß man den Standpunkt der Betrachtung, in dem sie wurzeln, die Voraussetzung, daß die Dinge und ihr Zusammenhang etwas an sich Bestehendes seien, ausgibt und zum transzendentalen Idealismus (s. d.) übergeht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 582.
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